Eva Haller, Präsidentin der Europäischen Janusz Korczak Akademie, über ihren Einsatz gegen Ausgrenzung und für Dialog
Shownotes
Eva Haller, geb. 1948 in Rumänien, studierte Journalismus und Linguistik und lebte in Wien, New York, Tel-Aviv, Brüssel und Italien. Schon in frühen Jahren entwickelte Eva Haller Interesse an Jugendarbeit und Austausch im interreligiösen und -kulturellen Bereich. 2006, im Alter von 59 Jahren, zog sie nochmals in ein anderes Land – diesmal nach Bayern. Sie gründete 2009 die Europäische Janusz Korczak Akademie in München, die sich für interkulturelle Verständigung und Dialog einsetzt und so gegen Ausgrenzung und Hass wirkt.
„Offen im Kopf und im Herzen sein und bleiben“ – das hat sie gelernt durch ihr Leben in verschiedenen Ländern. Und das trägt sie weiter in die Projekte ihrer Akademie, die u.a. über Jüdisch sein in Bayern informiert, junge Menschen in Bayern zu Botschaftern für Dialog und gegen Radikalisierungen ausbildet und geflüchtete Menschen unterstützt. Was ihr diese Arbeit bedeutet, was sie als Jüdin in Bayern nach den Ereignissen der letzten Monate in Israel und in Gaza empfindet und warum Ausgrenzung immer ein Warnsignal für unsere Demokratie ist, erfahrt ihr in dieser Folge unseres Podcast! Lasst euch inspirieren!
Links: Europäische Janusz Korczak Akademie https://www.ejka.org/ Youthbridge https://www.youthbridge.eu/ Mit Davidstern und Lederhose – die Ausstellung: https://www.mitdavidsternundlederhose.de/ Meldung von antisemitischen Vorfällen: RIAS https://report-antisemitism.de/rias-bayern/ Geförderte Projekte gegen Radikalisierung des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales: https://www.stmas.bayern.de/radikalisierungspraevention/index.php
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Transkript anzeigen
00:00:00: Ich sage immer: Jede Frage ist erlaubt.
00:00:02: Wir können über alles sprechen.
00:00:04: Wir müssen nicht
00:00:05: immer der gleichen Meinung sein.
00:00:06: Ich meine, wir sind nun mal verschieden,
00:00:08: mit verschiedenen Lebenserfahrungen.
00:00:10: Aber wir müssen miteinander sprechen.
00:00:17: Bayern.Gemeinsam.Stark.
00:00:20: Der Podcast mit Menschen,
00:00:21: die uns inspirieren.
00:00:40: Herzlich willkommen
00:00:41: zu unserem Podcast
00:00:42: Bayern.Gemeinsam.Stark.
00:00:45: Mein Name ist Tobias Ranzinger
00:00:47: und hier treffen wir Menschen aus Bayern.
00:00:50: Menschen, die Bayern ausmachen.
00:00:52: Die Bayern bewegen
00:00:53: Menschen, die uns inspirieren.
00:00:55: Und heute haben wir zu Gast Eva Haller.
00:00:58: Eva Haller ist Mitbegründerin
00:01:00: und Präsidentin der Europäischen
00:01:02: Janusz Korczak Akademie.
00:01:04: Sie war selbstständige Journalistin
00:01:06: für verschiedene Rundfunk Medien
00:01:08: und begleitete anschließend Studenten
00:01:10: bei ihren Diplomarbeiten.
00:01:12: Nach ihrem langjährigen Aufenthalt
00:01:14: in Italien zog Eva Haller 2006
00:01:18: nach Bayern.
00:01:19: Von 2006 bis 2009 war sie unter anderem
00:01:22: Projektleiterin und Koordinatorin
00:01:24: der Jugendabteilung
00:01:25: der Israelitischen Kultusgemeinde
00:01:28: von München und Oberbayern.
00:01:30: Haller engagiert sich ehrenamtlich
00:01:32: darüber hinaus
00:01:33: für verschiedene
00:01:33: Wohltätigkeitsorganisationen
00:01:35: und für ihre Verdienste hat sie 2018
00:01:38: die Medaille “München
00:01:40: leuchtet den Freundinnen und Freunden
00:01:42: Münchens” in Bronze und 2020
00:01:45: die “Bayerische Verfassungsmedaille”
00:01:47: in Silber erhalten.
00:01:49: Herzlich willkommen, Frau Haller.
00:01:50: Dankeschön.
00:01:52: Ich freue mich auf unser Gespräch heute
00:01:54: und bevor wir mit dem Gespräch beginnen,
00:01:57: da haben wir für unsere Gäste
00:01:59: immer ein paar Fragen
00:02:01: und da möchte ich Sie
00:02:02: bitten, mir die möglichst kurz
00:02:04: und spontan zu beantworten
00:02:05: und zu vervollständigen.
00:02:07: Den Satz: “Bayern ist für mich ...
00:02:10: eine zweite Heimat geworden.” “Was kann
00:02:13: denn die Welt,
00:02:14: was kann Bayern von Eva Haller lernen?
00:02:18: Positiv zu denken
00:02:20: und immer viel Energie mitzubringen,
00:02:23: das werden wir heute bestimmt
00:02:24: noch einige Male spüren.
00:02:26: Was macht denn die Gemeinschaft stark?
00:02:30: Was fördert das
00:02:30: Zusammengehörigkeitsgefühl
00:02:32: unter Menschen?
00:02:34: Der Dialog,
00:02:36: Das Miteinander auf
00:02:37: Augenhöhe, mit Respekt zu kommunizieren?
00:02:40: Wenn ich mir etwas wünschen dürfte
00:02:42: für die Menschen in Bayern,
00:02:44: dann wäre das: sie besser kennenzulernen.
00:02:46: Oder besser gesagt,
00:02:47: dass wir uns alle besser kennenlernen,
00:02:50: um Vorurteile und Ausgrenzung und Hass
00:02:53: aus unserem Leben zu tilgen.
00:02:56: Und was Sie da im Speziellen
00:02:57: alles anschieben, was Sie machen,
00:02:59: darüber werden wir heute sprechen.
00:03:00: Aber lassen Sie uns noch mal vorher
00:03:02: in die Vergangenheit gehen.
00:03:03: Sie wurden geboren in Temeswar,
00:03:06: das liegt in Rumänien.
00:03:07: Sie haben die Schule,
00:03:09: das Mädchengymnasium, des Karmeliter
00:03:11: Ordens in Wien besucht.
00:03:14: Abschluss gemacht
00:03:15: in New York City, in der New Utrecht
00:03:18: High School. Spreche ich das richtig aus?
00:03:20: Alles richtig.
00:03:21: Dann haben Sie an der Columbia University
00:03:23: in New York und an der Universität
00:03:26: Libre Brüssel
00:03:27: Journalismus studiert,
00:03:28: dann anschließend an der Universität
00:03:31: Tel Aviv.
00:03:32: Romanische
00:03:33: und semitische Sprachen studiert
00:03:35: und dann hat es sie nach Italien gezogen.
00:03:38: Und 2006 sind sie dann nach
00:03:40: München, nach Bayern gezogen.
00:03:42: Das ist mal kosmopolitisch!
00:03:44: Wien, New York,
00:03:46: Brüssel, Tel Aviv, Italien, München.
00:03:50: Wenn Sie
00:03:51: in Ihr Herz hineinhorchen:
00:03:53: Wo ist Ihre Heimat?
00:03:54: Ich bin aus der Generation, die irre,
00:03:58: wirklich irre glücklich war, als Europa
00:04:01: sozusagen die Grenzen geöffnet hat.
00:04:04: Und eben durch diese Stationen,
00:04:06: die Sie schon erwähnt haben,
00:04:08: habe ich mich immer
00:04:09: als Europäerin gesehen.
00:04:11: Also ich hatte nicht in diesem Sinne
00:04:13: feste Wurzeln,
00:04:15: wie zum Beispiel in Rumänien gehabt.
00:04:16: Ich bin zu jung gewesen,
00:04:18: dort weggekommen zu sein
00:04:20: durch die Emigration meiner Eltern.
00:04:22: Ich bin 70 Jahre, zum 70.
00:04:25: Geburtstag nach meiner Geburt nach
00:04:28: Rumänien, nach Temeswar
00:04:30: wieder zurückgegangen.
00:04:31: Und dann habe ich eigentlich
00:04:33: verstanden, wer ich bin
00:04:35: und woher ich komme.
00:04:37: 70 Jahre lang habe ich niemals
00:04:40: das Land betreten
00:04:42: oder die Stadt betreten,
00:04:43: wo ich eigentlich geboren wurde.
00:04:45: Und die eigentlich maßgeblich,
00:04:48: das kann ich im Rückblick wieder nur
00:04:49: sagen, meine Identität mitgeprägt haben
00:04:52: ohne diese 70 Jahre dort gewesen zu sein.
00:04:56: Der Aufenthalt
00:04:56: muss Sie ja wahnsinnig berührt haben,
00:04:58: denn wenn ich mir diese
00:04:59: ganzen Stationen vorstelle,
00:05:01: die Sie in Ihrem Leben hatten,
00:05:02: was bringt das?
00:05:03: Was macht das mit einem Menschen,
00:05:05: wenn man an so viel
00:05:06: sehr unterschiedlichen Orten lebt?
00:05:08: Was hat man davon?
00:05:09: Was bringt das?
00:05:11: Ich glaube, das ist diese Erfahrung
00:05:14: Offen zu sein,
00:05:15: offen zu sein
00:05:16: im Kopf, offen zu sein im Herzen.
00:05:19: Und das ist beides wichtig, weil
00:05:20: wir sind Kopf und Herz als Menschen.
00:05:23: Oder sollten wir sein!
00:05:24: Und im Kopf
00:05:25: ist es erst mal,
00:05:27: neue Ideen anzunehmen,
00:05:29: also einfach aufzusaugen,
00:05:31: was ein neues Ambiente
00:05:32: bringt, eine neue Kultur,
00:05:34: eine neue Sprache.
00:05:35: Ganz wichtig, weil
00:05:36: Sprachen sind auch immer mit Orten
00:05:38: irgendwie verbunden
00:05:40: und jede Sprache
00:05:41: ist eine neue Tür zu einer neuen Kultur
00:05:44: und zu einer neuen Tradition.
00:05:46: Und das habe ich wirklich auf jeder
00:05:48: diese Stationen,
00:05:49: die sie schon erwähnt haben, mitgenommen.
00:05:51: Also die Sprache, die Kultur,
00:05:53: die Menschen, die Menschen.
00:05:55: Und das Zweite ist eben nicht nur Kopf,
00:05:57: sondern auch Herz.
00:05:58: Wie schon gesagt,
00:06:00: dass man dadurch,
00:06:01: dass man so verschiedene Menschen aus
00:06:02: so verschiedenen Kulturen, Kreisen,
00:06:05: sozialen Schichten, weil
00:06:07: es ist sehr vielschichtig im Leben,
00:06:09: was man erlebt,
00:06:11: dass das einen irgendwie bereichert.
00:06:15: Und ich fühle mich wahnsinnig reich
00:06:18: und das kann ihnen niemals jemand nehmen.
00:06:20: Nein, das gehört zu mir.
00:06:23: Jetzt kommen wir mal nach Bayern.
00:06:25: Sie sind
00:06:25: 2006 von Italien nach Bayern gezogen,
00:06:29: vor 18 Jahren.
00:06:30: Wenn Sie zurückdenken, 2006,
00:06:32: was hat sich denn in der Zwischenzeit,
00:06:34: 2006 bis 2024,
00:06:36: bei uns in Bayern verbessert?
00:06:39: Ja, das ist eine gute Frage.
00:06:42: Es ist so viel in letzter Zeit,
00:06:43: gerade in den letzten Jahren passiert,
00:06:46: dass man sicherlich nicht nur einseitig
00:06:49: sagen kann, nur verbessert.
00:06:52: Also ich bin nach Bayern gekommen,
00:06:53: eigentlich aus einer Leben-,
00:06:55: wieder mal
00:06:55: aus seiner Lebenssituation
00:06:57: heraus, die ich nicht geplant hatte.
00:06:59: Aber ich war anscheinend reif dafür.
00:07:02: Und ich bin nach Bayern gekommen.
00:07:04: Sie müssen wissen, ich war 59 Jahre alt
00:07:07: und mit 59 Jahren
00:07:09: wieder sozusagen von Null anzufangen.
00:07:12: In einer Stadt,
00:07:13: wo man nicht zu Hause ist,
00:07:15: wo man nicht bekannt
00:07:16: ist, wo man
00:07:18: keine wirklichen Verbindungen hat.
00:07:20: Das ist nicht so einfach.
00:07:22: Aber wie gesagt, durch Lebensumstände
00:07:25: ist es nun mal so gewesen
00:07:27: und ich bin hier in diese Stadt gekommen
00:07:29: und ich hatte
00:07:30: wirklich das unsagbare Glück,
00:07:33: Menschen zu treffen,
00:07:34: die mir geholfen haben,
00:07:36: mein Leben wieder von Null aufzubauen.
00:07:38: Also wie gesagt,
00:07:39: die Menschen waren eigentlich
00:07:40: das, was mir geholfen hat
00:07:42: und was ich als sehr positiv hier
00:07:44: empfunden habe.
00:07:46: Ob Wohnung oder Arbeit oder sonst was,
00:07:48: das war wahnsinnig positiv.
00:07:50: Und wenn wir heute 2024 schreiben,
00:07:54: dann habe ich ein sehr trauriges Gefühl,
00:07:58: weil diese Offenheit,
00:08:00: diese Hilfsbereitschaft
00:08:03: etwas von einfach verloren gegangen ist.
00:08:08: Man begegnet dem anderen Menschen
00:08:10: schon mit Misstrauen.
00:08:12: Es ist nicht mehr diese Offenheit
00:08:13: und diese,
00:08:15: diese Empathie,
00:08:17: möchte ich fast sagen,
00:08:19: dem Menschen gegenüber zu helfen
00:08:21: oder dabei zu sein.
00:08:22: Zu viel
00:08:23: Aggression, zu viel Misstrauen,
00:08:25: zu viel Vorurteile, zu viel Hass.
00:08:28: Also es geht schon wirklich
00:08:29: bis zu diesem extremen Wort,
00:08:31: welches ich leider benutze.
00:08:32: Bis zum Hass.
00:08:34: Und das ist leider nicht positiv.
00:08:38: Sie sind ja
00:08:39: Jüdin, Sie sind jüdischen Glaubens.
00:08:41: Was hat sich aus dieser Perspektive
00:08:45: seit 2006
00:08:47: innerhalb der letzten
00:08:48: 15/18/20 Jahre verändert?
00:08:50: Na ja, also ich lebe
00:08:53: mit der Israelitischen Kultusgemeinde.
00:08:56: Wir sind auch Mitglieder dort
00:08:57: und wir haben auch,
00:08:59: also wir leben unser Judentum
00:09:01: zwischen Tradition und
00:09:03: und ein aufgeklärtes Säkularleben.
00:09:06: Nennen wir es mal so.
00:09:07: Also ich bin nicht jetzt
00:09:08: besonders betont religiös in dem Sinne,
00:09:10: aber traditionell schon.
00:09:12: Und wir halten uns auch an Freitagabend
00:09:15: und an Samstag,
00:09:17: aber jetzt nicht ganz streng
00:09:18: - und auch Fest- und Feiertage. Und
00:09:22: wir gehen
00:09:22: auch immer mal
00:09:23: regelmäßig in die Synagoge zum Gebet.
00:09:26: Das machen wir mindestens
00:09:27: an den großen Feiertagen
00:09:29: oder die wichtigen Sachen.
00:09:31: Und
00:09:33: wir lassen uns nicht aus
00:09:35: unserer jüdischen Tradition abbringen,
00:09:38: weil das ist Teil unserer Identität
00:09:41: und also ich
00:09:42: und auch mein Mann und auch meine Kinder,
00:09:44: wir stehen auch dazu.
00:09:45: Als Jüdin bringt man sozusagen eine
00:09:49: tiefe DNA mit.
00:09:51: Also nicht im physischen Sinne,
00:09:52: wie Sie sich das vorstellen können,
00:09:54: sondern die soziale DNA mit.
00:09:57: Und das ist ein Gedächtnis,
00:09:58: welches in uns ist, so nenne ich das.
00:10:01: Die soziale DNA.
00:10:02: Die einfach durch Generationen gewollt
00:10:06: oder auch nicht gewollt
00:10:07: weitergegeben wird.
00:10:08: Und diese DNA ist einfach
00:10:11: die lange Geschichte,
00:10:12: der rote Faden von Verfolgung,
00:10:15: von Vertreiben oder vertrieben werden,
00:10:18: von von allen
00:10:19: möglichen negativen Gefühlen.
00:10:22: Das hat man irgendwo in sich,
00:10:24: aber das legt man ab,
00:10:25: weil so kann man ja
00:10:26: nicht im Alltag positiv sich
00:10:29: gestalten oder arbeiten oder denken.
00:10:32: Das legt man ab.
00:10:33: Aber nichtsdestotrotz ist das irgendwie
00:10:37: gespeichert.
00:10:39: Seitdem,
00:10:41: wie gesagt, war ich
00:10:44: sehr positiv in allem gegenüber
00:10:46: durch die Geschehnisse,
00:10:48: die hier gerade jetzt heute passieren.
00:10:51: Ich denke jetzt spezifisch an diesen
00:10:53: tragischen 7.
00:10:54: Oktober muss
00:10:56: ich sagen, auch
00:10:57: da hat sich vieles geändert.
00:11:01: Ich habe mal eine Umfrage,
00:11:02: ich habe Ergebnisse rausgesucht
00:11:03: und diese Umfrage
00:11:05: wurde sogar
00:11:05: vor dem Oktober 2023 durchgeführt.
00:11:09: Und gemäß
00:11:10: dieser Umfrage
00:11:11: fühlt sich eine ganz große Mehrheit
00:11:13: der in Europa lebenden Juden
00:11:16: in ihrer Heimat nicht mehr sicher.
00:11:19: 76 % der Juden gaben an,
00:11:22: ihre jüdische Identität
00:11:24: zumindest gelegentlich zu verbergen.
00:11:26: 76 %, das sind 3/4 und 34 %,
00:11:30: also 1/3, meiden
00:11:31: demnach jüdische Veranstaltungen
00:11:33: oder Stätten,
00:11:34: weil sie sich nicht sicher fühlen.
00:11:37: Ja, also ich kann mir das gut vorstellen.
00:11:39: Diese Statistik
00:11:40: habe ich jetzt nicht gehört,
00:11:42: aber ich kann sie nachvollziehen.
00:11:44: Also meine Einstellung ist,
00:11:46: ich werde mich, solange ich lebe,
00:11:49: nicht verstecken in meiner Identität.
00:11:53: Ich trage auch jüdische Symbole.
00:11:55: Ich trage ein Magen David.
00:11:56: Aber dieses Zeichen.
00:11:58: Ich weiß nicht, ob Sie das kennen.
00:11:59: Das sind zwei Buchstaben.
00:12:00: Das ist ein H und ein I.
00:12:03: Das ist die Kette meiner Mutter,
00:12:04: die ich von ihr geerbt habe.
00:12:05: Und ich werde sie auch
00:12:06: in den nächsten Generationen
00:12:08: immer den Mädchen
00:12:09: und Frauen in unserer Familie,
00:12:11: immer der Ältesten weitergeben.
00:12:12: Das ist so Tradition.
00:12:14: Diese
00:12:14: zwei Buchstaben bedeuten
00:12:16: auf Hebräisch Chai
00:12:17: und das ist nicht nur ein Buchstabe,
00:12:21: sondern auch eine Zahl.
00:12:22: Die Zahl 18
00:12:24: und die Zahl 18
00:12:25: steht als Symbol für das Leben.
00:12:28: Okay,
00:12:28: also es hat einen symbolischen Wert.
00:12:30: Ja,
00:12:31: und ich trage das
00:12:33: und ich trage das öffentlich.
00:12:35: Und ich würde
00:12:37: das niemals ablegen wollen.
00:12:39: Also das würde nicht meinem Charakter
00:12:41: und auch nicht meiner Identität
00:12:43: in irgendeiner Weise,
00:12:45: sage ich mal, begleitend
00:12:47: sein, mich zu verstecken.
00:12:49: Aber ich kann sehr gut verstehen,
00:12:51: wenn man Angst hat, ein Davidstern
00:12:55: und wir wissen es
00:12:56: ja, dass
00:12:57: viele jetzt den
00:12:58: Davidstern abgelegt haben,
00:12:59: um es nicht öffentlich zu zeigen,
00:13:01: dass man jüdisch ist
00:13:02: oder dass auch viele
00:13:03: die Kippa nicht mehr tragen,
00:13:04: sondern eine Baskenmütze,
00:13:05: weil das auch öffentlich
00:13:07: sichtbar ist, dass man jüdisch ist,
00:13:09: also diese öffentlichen Symbole dazu.
00:13:12: Ich kann das verstehen.
00:13:13: Ich weiß auch von Menschen,
00:13:15: die ihre Mesusa -
00:13:17: Sie wissen, was das ist? Erklären Sie es.
00:13:19: Also die Mesusa ist dieses Symbol,
00:13:22: was in jüdischen Häusern an den Türen.
00:13:24: Sie sind also Eingangstür,
00:13:26: aber auch an anderen Räumlichkeiten
00:13:28: und der Haussegen, wenn Sie so möchten,
00:13:31: mit einem Schriftstück
00:13:33: drinnen auf Pergament handgeschrieben
00:13:35: unser Hauptgebiet Schmah Israel.
00:13:37: Und das ist dann sichtbar an der Tür.
00:13:40: Und ich weiß, dass manche oder viele,
00:13:43: das kann ich jetzt nicht so bestimmen,
00:13:44: es abgenommen haben,
00:13:46: weil sie gesagt haben,
00:13:47: wir wissen nicht, wer ein Paket bringt.
00:13:50: Ja, DHL oder Post oder sonst was
00:13:53: und welchen Hintergrund
00:13:54: diese Person hat
00:13:55: und fühlten sich bedroht.
00:13:57: Ja, also ich hab Verständnis dafür,
00:14:00: aber ich würde das für mich persönlich
00:14:02: nicht machen.
00:14:03: Viele Juden
00:14:04: haben Angst, mehr als je zuvor.
00:14:08: Und jetzt gibt es ja
00:14:09: viele Menschen in Deutschland,
00:14:10: die sagen
00:14:11: Antisemitismus, das mag es geben.
00:14:15: Es gibt etwa 200.000 Jüdinnen und Juden
00:14:18: in Deutschland.
00:14:19: Das betrifft mich nicht,
00:14:21: das interessiert mich nicht.
00:14:23: Was sagen Sie diesen Menschen?
00:14:24: Es ist ein falsches Denken
00:14:26: und ein zu kurzfristiges Denken,
00:14:28: weil die Geschichte uns gezeigt hat,
00:14:31: wenn es losgeht mit Ausgrenzung.
00:14:33: Und ich rede jetzt nicht nur von Juden
00:14:35: oder Jüdinnen, sondern allgemein
00:14:37: gegen Ausgrenzung,
00:14:38: gegen Misstrauen,
00:14:39: gegen Verschwörungstheorien.
00:14:41: Damit sind ja Juden
00:14:42: ganz besonders
00:14:43: betroffen, mit Verschwörungsmythen
00:14:46: und Theorien.
00:14:47: Wenn das alles anfängt, dann geht es-,
00:14:49: dann bleibt es nicht stehen.
00:14:51: Einmal ist es nur zuerst gegen die Juden.
00:14:53: Aber das ist von mir aus gesehen
00:14:56: der erste Schritt,
00:14:57: weil der zweite folgt dann
00:14:59: und eigentlich, was die,
00:15:01: ich sage mal, diese Linie ist,
00:15:03: dass letzten Endes
00:15:05: nicht nur Antisemitismus
00:15:06: und Juden bedroht werden
00:15:07: oder auch andere Kulturen oder Ethnien,
00:15:10: sondern letzten Endes
00:15:12: das der Kampf gegen die Demokratie ist.
00:15:14: Und das ist das Letzte,
00:15:16: was langsam ausgehöhlt wird.
00:15:18: Und das Letzte,
00:15:19: was dann passiert, sind
00:15:21: diese Extremisten.
00:15:23: Muss man ja, nenne ich das mal so,
00:15:26: die die Demokratien aushöhlen
00:15:28: und dann zum Totalitären,
00:15:30: was immer auch kommt.
00:15:32: Also dieses Weltbild, das Anfeindung,
00:15:34: Ausgrenzung, Diskriminierung beinhaltet,
00:15:37: was man dagegen tun kann, sollte
00:15:40: und muss.
00:15:41: Darüber werden wir noch sprechen.
00:15:43: Es gibt ja das Zitat.
00:15:45: Ich glaube, es wird Mark
00:15:45: Twain zugeschrieben.
00:15:47: “Geschichte wiederholt sich nicht,
00:15:49: aber sie reimt sich.”
00:15:50: Man könnte sagen
00:15:51: gesellschaftliche Krisen
00:15:53: verschwinden nicht,
00:15:54: aber sie erneuern sich vielleicht
00:15:56: jeweils in veränderten Konstellationen.
00:15:59: Wenn wir jetzt das Jahr 2024
00:16:03: anschauen, droht da
00:16:04: gewissermaßen ein neues 1933?
00:16:08: Ja, das höre ich oft.
00:16:10: Also man kann Geschichte
00:16:11: nie eins zu eins wiederholen.
00:16:12: Das ist auch nicht
00:16:14: die Erfahrung, die man macht.
00:16:15: Auch dieses Zitat
00:16:17: will es eigentlich auch so ausdrücken:
00:16:20: Nichts wird eins zu eins wiederholt.
00:16:22: Es wandelt sich,
00:16:23: es versteckt sich auch,
00:16:25: wenn Sie so möchten,
00:16:26: hinter anderen Fassaden
00:16:27: oder anderen Masken.
00:16:29: Ja, also
00:16:29: durch die
00:16:30: geopolitischen oder geschichtlichen
00:16:32: Ereignisse.
00:16:34: Aber letzten Endes
00:16:35: ist das ein roter Faden,
00:16:37: der dann irgendwo anfängt
00:16:39: und immer mehr und mehr
00:16:41: in eine Richtung geht.
00:16:42: Und dieses Aushöhlen, das,
00:16:44: was ich meinte,
00:16:45: birgt wirklich die Gefahr in sich,
00:16:48: dass dann
00:16:49: das, was man so schwer erkämpft
00:16:51: hat, die Demokratie, die Freiheit,
00:16:53: die Gleichstellung von Mann und Frau
00:16:55: und all das,
00:16:56: was wir
00:16:57: heute eigentlich wahnsinnig genießen
00:16:59: und profitieren
00:17:00: davon,
00:17:01: dass das irgendwo
00:17:02: dann am Ende in Gefahr ist
00:17:04: durch diese -Ismen.
00:17:07: Und bis
00:17:07: vor kurzem haben wir es auch
00:17:08: für völlig selbstverständlich genommen.
00:17:10: Ja,
00:17:11: der Mensch gewöhnt sich sehr schnell an
00:17:13: guten Sachen.
00:17:15: Es ist nur schwer,
00:17:16: dann das Gefühl loszulassen.
00:17:18: Und bevor wir darauf zu sprechen kommen,
00:17:20: was sie dagegen tun,
00:17:21: gerade in dem großen Feld der Prävention,
00:17:24: da ist auch das
00:17:24: Bayerische Sozialministerium
00:17:26: sehr engagiert,
00:17:27: möchte ich noch gerne auf den 7.
00:17:29: Oktober 2023 zu sprechen kommen.
00:17:32: Für all diejenigen,
00:17:33: die es jetzt vielleicht nicht sofort
00:17:34: im Gedächtnis haben.
00:17:35: Am 7.
00:17:36: Oktober 2023
00:17:37: da hat die palästinensische
00:17:39: radikal-islamistische Hamas
00:17:41: einen terroristischen Überfall
00:17:43: vom Gazastreifen aus gegen Israel verübt.
00:17:47: Dabei haben die
00:17:47: Terroristen mehr
00:17:48: als 1.200 Menschen getötet
00:17:51: und weitere 250
00:17:54: Menschen als Geiseln
00:17:56: in den Gazastreifen verschleppt.
00:17:58: Und dieses Massaker war Auslöser
00:18:00: des Gaza Kriegs.
00:18:01: Was hat dieser 7. Oktober
00:18:04: jetzt noch mal verändert?
00:18:05: Ich glaube sehr viel.
00:18:07: Aber erstens mal
00:18:10: sind wir
00:18:11: alle, alle, also
00:18:13: was die jüdische Gemeinschaft angeht
00:18:15: und die israelische, behaupte ich auch,
00:18:18: in eine Schockstarre versunken.
00:18:21: Wir waren so schockiert,
00:18:22: weil man so was einfach nicht
00:18:24: sich vorstellen konnte.
00:18:25: Vor allem
00:18:25: diese Brutalität,
00:18:27: mit der es stattgefunden hat,
00:18:29: dass so was überhaupt 20 24 möglich ist.
00:18:33: Das war das erste.
00:18:35: Nachdem wir
00:18:35: also ein bisschen uns wieder aus
00:18:37: dieser Schockstarre bewegt haben, kam
00:18:40: dann die Ernüchterung, wie
00:18:43: die Welt darauf reagiert.
00:18:45: Und das war das Zweite,
00:18:46: was auch für uns sehr schmerzlich war.
00:18:48: Oder ist.
00:18:49: Noch immer
00:18:50: ganz spezifisch hier,
00:18:51: was die Frauen angeht,
00:18:53: also als jüdische Frau.
00:18:56: Diese Brutalitäten, von denen wir wissen,
00:18:58: wir haben sie in Filmen gesehen,
00:19:00: in Beiträgen und und und.
00:19:03: Mit welcher Brutalität da
00:19:05: gegen Frauen und Kinder vorgegangen ist
00:19:07: bis heute,
00:19:07: weil die Geiseln sind ja noch immer,
00:19:09: wie sie richtig gesagt haben,
00:19:10: um die 100 glaube ich
00:19:12: noch immer da gefangen,
00:19:14: dass wir vermisst haben,
00:19:17: die die Stimme der Frauen weltweit,
00:19:20: also die “me too”-Bewegung
00:19:22: zum Beispiel, die
00:19:23: ja ganz wichtig ist, aber nicht nur,
00:19:25: sondern von sehr vielen Frauenverbänden.
00:19:27: Wir haben diese Empathie nicht bekommen.
00:19:30: Frauen, einfach nur
00:19:32: Frauen und Kindern gegenüber,
00:19:34: dass hier irgendetwas
00:19:35: Schreckliches passiert.
00:19:37: Also das ist etwas, was
00:19:40: sehr schwer
00:19:41: bis heute
00:19:41: uns nachläuft, um es mal so zu sagen.
00:19:45: Woher kommt dieses extreme Feindbild,
00:19:47: wenn wir mal auf die
00:19:48: Bedürfnisebene kommen?
00:19:51: Was geht in mir vor?
00:19:52: Habe ich einen
00:19:53: Minderwertigkeitskomplex oder was ist es,
00:19:55: dass ich diese Gruppe so sehr als Feind
00:19:58: für mich identifiziere?
00:19:59: Also es hängt davon ab,
00:20:01: von wem wir jetzt genauer sprechen.
00:20:03: Ist es aus dem rechten Spektrum?
00:20:05: Ist es aus dem linken Spektrum?
00:20:07: Oder ist es aus den
00:20:08: muslimischen Spektrum?
00:20:10: Es vereint anscheinend
00:20:11: sehr viele Richtungen des Extremismus,
00:20:13: vor allem die an den Rändern.
00:20:15: Ja, weil man spricht
00:20:16: ja immer
00:20:17: über dieses Hufeisen-Prinzip,
00:20:19: dass sie zwar ganz andere
00:20:20: Ansichten haben,
00:20:21: aber irgendwo treffen sie sich.
00:20:22: Aber wir haben einen linken,
00:20:23: wir haben einen rechten Antisemitismus
00:20:25: und einen islamistischen Antisemitismus,
00:20:28: ganz spezifisch
00:20:28: den Israelbezogenen Antisemitismus.
00:20:31: Und was hier jetzt passiert ist,
00:20:32: durch diesen Krieg,
00:20:33: dass man zwar vielleicht von den rein
00:20:36: jüdischen Antisemitismus,
00:20:38: nenne ich jetzt mal so,
00:20:40: es ganz besonders
00:20:42: ein Pferd gefunden hat,
00:20:43: auf dem man reiten kann
00:20:45: und das alles gelenkt hat,
00:20:47: auf den Israelbezogenen Antisemitismus.
00:20:49: Ja, ich meine, es kommt immer wieder
00:20:52: diese Frage auf.
00:20:52: Man darf ja wohl noch Israel kritisieren.
00:20:55: Ja, selbstverständlich
00:20:56: darf man Israel kritisieren.
00:20:58: Die Regierung.
00:20:59: Ich meine, ich kritisiere auch,
00:21:02: was weiß ich!
00:21:03: Ich will keine Namen nennen,
00:21:05: das sollte man nicht,
00:21:07: irgendwie eine Regierung
00:21:08: oder irgendwelche Beschlüsse
00:21:10: einer Regierung und so,
00:21:11: ob das politisch
00:21:12: oder wirtschaftlich oder sonst wie sind.
00:21:14: Selbstverständlich darf man das!
00:21:16: Aber man darf nicht eine
00:21:18: allgemeine Verurteilung
00:21:19: eines ganzen Volkes
00:21:21: oder einer ganzen Ethnie
00:21:23: oder eines ganzen Landes
00:21:25: einfach machen,
00:21:27: weil man kritisieren möchte.
00:21:28: Woher kommt das?
00:21:29: Was sind die Defizite,
00:21:31: dass ich
00:21:31: so anfällig bin
00:21:33: und ein Feindbild mir suche?
00:21:35: Ja, das ist, glaube ich, irgendwo
00:21:36: schon sehr menschlich.
00:21:38: Erstens mal,
00:21:38: dass man sozusagen
00:21:39: immer mit dem Schwächeren hält.
00:21:41: Ja, und in diesem Fall sind es nun mal
00:21:44: die Palästinenser, nicht die Hamas.
00:21:46: Da müssen wir auch noch mal
00:21:47: ganz klar unterscheiden,
00:21:49: dass das palästinensische Volk
00:21:52: letzten Endes wirklich nur
00:21:54: missbraucht wird.
00:21:56: Die Hamas kümmert sich nicht
00:21:57: wirklich um die Palästinenser,
00:21:59: weil dann würden da
00:22:00: unten in diesen Tunnels
00:22:02: nicht die Terroristen sitzen,
00:22:03: sondern ihre eigenen Leute,
00:22:05: die sie beschützen sollten.
00:22:07: Ja, deswegen macht man-.
00:22:09: In Kriegen
00:22:09: hat man diese Bunker und Tunnel gehabt.
00:22:12: Das existiert aber nicht.
00:22:13: Im Gegenteil,
00:22:15: sie benützen ihre eigene Bevölkerung
00:22:17: als Schutzschilder.
00:22:19: Wir wissen das schon seit Jahren,
00:22:21: aber jetzt ist es noch mal
00:22:22: ganz evident geworden.
00:22:23: Sie haben es ja gerade schon gesagt.
00:22:25: Antisemitismus findet sich
00:22:26: in allen Formen des Extremismus wieder.
00:22:30: Rechtsextremisten,
00:22:32: die definieren Juden als negative
00:22:34: fremde Gruppierungen,
00:22:36: die an allem Übel der Welt schuld sind
00:22:38: und deswegen vernichtet werden müssen.
00:22:41: Linksextremisten, die übertragen
00:22:43: oft antisemitische Narrative
00:22:45: auf den Staat
00:22:46: Israel, als jüdischen Staat
00:22:48: und auch Islamisten.
00:22:50: Die bestreiten
00:22:51: das Existenzrecht
00:22:52: Israels und verbinden
00:22:53: dies mit judenfeindlicher Hetze,
00:22:55: teilweise mit religiöser Argumentation.
00:22:58: Und dabei
00:22:59: richtet sich Antisemitismus oft
00:23:01: gegen einzelne jüdische Personen.
00:23:03: Oder wie Sie es gerade
00:23:04: schon erwähnt haben,
00:23:05: gegen den jüdischen Staat
00:23:06: Israel, verbunden
00:23:08: mit der antisemitischen Weltvorstellung:
00:23:10: “Wenn man
00:23:11: Israel oder Jüdinnen
00:23:12: und Juden vernichten würde,
00:23:14: dann wäre die Welt ein besserer Ort.”
00:23:16: Und jetzt kommen wir noch mal zurück
00:23:18: nach Deutschland, nach Bayern.
00:23:20: Und ich würde
00:23:20: ganz gern auf das Gegenmittel, auf die
00:23:23: Medizin, zu sprechen kommen.
00:23:25: Wie treten wir Antisemitismus,
00:23:27: Wie treten wir Radikalisierung
00:23:30: wirksam entgegen?
00:23:31: Na ja, da komme ich jetzt auf
00:23:32: unsere Organisation,
00:23:34: der Europäischen Janusz Korczak
00:23:36: Akademie zurück.
00:23:37: Eigentlich das,
00:23:38: was ich und auch wir täglich tun.
00:23:42: Irgendwann haben wir uns auch überlegt,
00:23:45: gerade aus diesen Ereignissen,
00:23:47: die sich immer weiter und weiter
00:23:49: entwickelten in den Jahren.
00:23:51: Aber was können wir tun?
00:23:53: Und wir haben gedacht
00:23:55: okay, hinsetzen und nur weinen,
00:23:57: okay, das ist eine Möglichkeit,
00:23:59: aber das wird uns sicherlich
00:24:00: nicht weiterführen.
00:24:02: Und deswegen sind wir in die Proaktive,
00:24:05: sag ich mal, andere Seite gegangen.
00:24:07: Und wir haben also
00:24:08: angefangen zu überlegen,
00:24:09: wie können wir dem entgegenwirken? Genau.
00:24:12: Und was wir gemacht haben.
00:24:13: Also jetzt sind wir jetzt schon so weit.
00:24:16: Wir haben ganz,
00:24:18: das sage ich mal,
00:24:19: gezielte Bildungspakete.
00:24:21: Wir sind ja eine Akademie
00:24:23: und eine Bildungsplattform.
00:24:25: Und wir haben Bildungspakete entwickelt
00:24:28: und sehr spezifisch entwickelt,
00:24:31: die genau dem entgegenarbeiten.
00:24:33: Und eins davon,
00:24:34: wie Sie schon erwähnt haben,
00:24:36: auch hier im Sozialministerium,
00:24:37: das voll unterstützt
00:24:39: wird, seit vielen Jahren, jetzt
00:24:40: eigentlich seit 2017,
00:24:43: ist das Projekt,
00:24:43: was sicherlich schon bekannt
00:24:45: ist YouthBridge.
00:24:46: Vielleicht all diejenigen,
00:24:47: die jetzt mit der Janusz Korczak Akademie
00:24:49: noch nicht vertraut sind,
00:24:51: dass es eine jüdische Gründung
00:24:53: aus dem Jahre 2009.
00:24:55: Sie sind die Präsidentin.
00:24:56: Sie stehen einer breiten
00:24:58: Gesellschaft offen.
00:24:59: Sie haben eine tolle Internetseite.
00:25:00: Das lohnt sich, die,
00:25:02: die sich mal anzuschauen.
00:25:03: Und dann gibt es ja
00:25:05: das Projekt YouthBridge.
00:25:06: Das wird auch
00:25:07: vom Bayerischen Sozialministerium
00:25:09: gefördert.
00:25:10: Jugend baut Brücken.
00:25:13: Wie kann man sich das vorstellen?
00:25:14: Was passiert da?
00:25:15: Also es ist ein Jugendprogramm,
00:25:18: für Jugendliche ausgerichtet.
00:25:20: Es ist ein Zwei-Jahres-Programm
00:25:22: der Ausbildung, der effektiven Ausbildung
00:25:25: von 14 bis 23 Jahren.
00:25:28: Also das ist die Gruppe,
00:25:30: die Altersgruppe, die daran teilnimmt.
00:25:32: Gemäß der Pädagogik von Janusz Korczak
00:25:35: mischen wir auch diese Gruppen.
00:25:37: Das heißt
00:25:37: also die Älteren mit den Jüngeren.
00:25:40: Und das Prinzip ist,
00:25:41: man soll voneinander lernen
00:25:43: oder sensibilisieren,
00:25:44: in jedem Alter, wo man ist.
00:25:46: Die Jugendlichen kommen aus
00:25:48: ganz verschiedenen
00:25:50: Communities aus München,
00:25:52: das heißt mit Migration,
00:25:53: Hintergrund ohne Migrationshintergrund,
00:25:55: deutschsprachig, auch fremdsprachige,
00:25:57: also ganz auch bunt gemischt.
00:25:59: Ganz wichtig
00:26:00: ist es uns,
00:26:01: dass wir nicht nur aus Gymnasien
00:26:04: Jugendliche haben,
00:26:05: sondern auch aus Realschulen
00:26:07: und Mittelschulen.
00:26:08: Weil wir möchten gerne das Spiegelbild
00:26:11: unserer Gesellschaft haben.
00:26:13: Also diese Jugendlichen
00:26:14: werden dann Botschafter.
00:26:15: Kommen die zu Ihnen in die Akademie?
00:26:17: Eine Art Unterricht?
00:26:18: Ja, absolut.
00:26:20: Und zwar
00:26:20: es ist ein ziemlich genaues Programm,
00:26:23: welches jedes Jahr,
00:26:24: je nachdem, was gerade
00:26:25: ein wichtiges Thema ist, noch
00:26:26: mal abgestimmt wird.
00:26:28: Und es gibt drei verschiedene
00:26:30: wichtige Punkte dazu.
00:26:31: Also, es ist eine wirkliche Ausbildung
00:26:33: in dem Sinne,
00:26:34: außerschulisch selbstverständlich.
00:26:36: Das eine ist Vorträge und Seminare,
00:26:38: die finden dann immer an Wochenenden
00:26:40: statt, also ganz spezifisch festgelegt
00:26:45: einmal im Monat
00:26:46: ein ganzes Wochenendseminar,
00:26:48: wo sie teilnehmen.
00:26:49: Dann gibt es Workshops,
00:26:51: die aufgeteilt sind
00:26:52: in mehreren Workshops im Monat,
00:26:54: wo sie auch noch mal mit Referenten,
00:26:56: die wir von außen engagieren, also sehr,
00:26:59: sag ich mal, kundige
00:27:01: und sehr gut
00:27:01: professionell ausgebildete Referenten,
00:27:03: wo sie auch noch mal in Workshops
00:27:06: praktisch das Lernen oder umsetzen.
00:27:09: Und dann gibt es auch noch
00:27:10: Projekte, die sie selber gestalten müssen
00:27:13: oder lernen müssen,
00:27:15: mit allen Tools, die dazu gehören.
00:27:17: Meistens sind es Sozialprojekte,
00:27:19: die sie dann aufbauen
00:27:21: und wir begleiten sie.
00:27:22: Das heißt,
00:27:23: wir bringen Ihnen bei,
00:27:24: wie man ein Projekt von null
00:27:26: bis zum Ende bringt.
00:27:27: Die lernen dann tatsächlich
00:27:30: was fürs Leben.
00:27:31: Sie lernen etwas wirklich fürs Leben.
00:27:33: Und das Wichtige ist
00:27:34: nicht nur für sich alleine,
00:27:35: sondern sie bringen es,
00:27:36: wo immer sie hingehen
00:27:38: und in ihren Lebensbereich
00:27:39: auch wieder zurück.
00:27:40: Also es ist ein Geben und ein Nehmen.
00:27:43: Junge Menschen,
00:27:43: die Brücken bauen
00:27:45: gegen Rassismus, Radikalisierung,
00:27:47: gegen Antisemitismus.
00:27:49: Wie das genau aussieht
00:27:50: und was die jungen Menschen
00:27:52: dort für sich mitnehmen,
00:27:54: dazu gibt es Stimmen aus einem Film
00:27:56: auf ihrer Website.
00:27:57: Hören wir doch mal rein:
00:27:58: Was du lernst,
00:27:59: wie du
00:27:59: dich selbst aktiv
00:28:00: in der Gesellschaft beteiligen kannst.
00:28:02: Das heißt,
00:28:03: egal welche Erfahrungen du vorher gemacht
00:28:05: hast,
00:28:06: egal wie ohnmächtig oder unbeteiligt
00:28:08: du dich gefühlt hast,
00:28:10: du kannst das, was dir am Herzen liegt,
00:28:11: in die Tat umsetzen
00:28:13: und YouthBridge
00:28:13: gibt dir das nötige Werkzeug dazu.
00:28:16: Also YouthBridge ist ein sogenanntes
00:28:17: soziales Projekt
00:28:19: für junge Münchner
00:28:20: und Münchnerinnen
00:28:20: im Alter zwischen 15 und 25 Jahren,
00:28:23: die eben
00:28:24: aus verschiedenen Communities kommen.
00:28:25: Dabei geht es um
00:28:27: ethnische, kulturelle,
00:28:28: politische, religiöse, usw.
00:28:30: Communities.
00:28:31: Und hierbei
00:28:32: haben wir die Plattform geschaffen,
00:28:34: damit diese Leute
00:28:36: eben zusammenkommen, miteinander
00:28:37: sprechen, sich
00:28:38: bei ganz verschiedenen
00:28:39: Seminaren kennenlernen,
00:28:40: sich weiter bilden und so
00:28:43: ganz viele verschiedene soziale
00:28:44: Projekte zusammen.
00:28:45: Ich selbst bin dabei seit 2017
00:28:48: und ich bin immer noch aktiv,
00:28:50: einfach weil es mir wichtig ist, vernetzt
00:28:52: mit den Menschen zu bleiben.
00:28:53: Und der Name
00:28:54: unseres Projekts “YouthBridge”
00:28:56: sagt es ja schon: Wir bilden Brücken
00:28:58: und darum geht es ja auch.
00:28:59: Es geht darum,
00:29:00: Brücken zu bauen und vernetzt zu bleiben.
00:29:02: Was ich persönlich halt einfach
00:29:03: sehr schön finde
00:29:04: und was mich
00:29:04: wirklich jedes Jahr aufs Neue bewegt,
00:29:06: ist eben, dass man merkt,
00:29:07: dass unsere Jugendlichen
00:29:08: wirklich eine Entwicklung
00:29:09: hier durchmachen.
00:29:10: Sie arbeiten zusammen,
00:29:11: sie machen Projekte zusammen und
00:29:14: so kommen eben diese Communities zusammen
00:29:16: und es entsteht eben ein
00:29:17: wirklich richtiger Dialog.
00:29:19: Wir haben jetzt insgesamt
00:29:21: zehn verschiedene Projekte,
00:29:23: was ja eigentlich ziemlich viel ist,
00:29:25: aber es sind eben viele Leute
00:29:26: mit ganz vielen verschiedenen Interessen,
00:29:27: die sich auch hier
00:29:28: bei diesem Projekt ausleben wollen.
00:29:30: Wir haben jetzt das Glück,
00:29:31: in unserer aktuellen
00:29:31: Staffel 35 Leute aus
00:29:33: verschiedensten Hintergründen,
00:29:35: also Communities zu haben,
00:29:37: die sich aktiv am Projekt beteiligen.
00:29:39: Und wir hoffen, dass diese dann auch,
00:29:41: wie bereits in der Vergangenheit
00:29:43: schon erfahren,
00:29:44: auch als Multiplikatoren
00:29:45: zurück in ihre Communities gehen.
00:29:47: Unsere Seminare werden ja dann immer
00:29:49: von Referenten
00:29:50: und Referentinnen geleitet, die eben auch
00:29:52: ihre Expertise mitbringen.
00:29:54: Und es geht eben auch
00:29:56: immer um demokratische Themen,
00:29:57: wie zum Beispiel Radikalisierung,
00:29:58: Prävention oder Toleranz
00:30:01: oder Konfliktmanagement.
00:30:02: Und natürlich ist es eben total prägend,
00:30:04: dass wenn man im Jugendalter schon
00:30:06: mit so vielen verschiedenen Menschen
00:30:08: mit so vielen verschiedenen Backgrounds
00:30:10: zusammen gelernt,
00:30:11: zusammen gearbeitet, zusammen
00:30:12: soziale Projekte gemacht hat.
00:30:14: Dass das einen prägt,
00:30:16: auch für die Zukunft
00:30:16: und dass man dann später
00:30:17: auch im Berufsleben -
00:30:18: wir sind ja auch ein Leadership-Projekt-,
00:30:20: dass man später auch
00:30:21: im Berufsleben,
00:30:22: wenn man zum Beispiel
00:30:22: eine Leader-Position hat,
00:30:24: dass man dann auch anders handelt
00:30:26: und offener, toleranter ist,
00:30:28: als man es ohne Job gewesen wäre.
00:30:30: Und das ist wirklich eine tolle Sache.
00:30:32: Junge Menschen
00:30:33: lernen, wie das Miteinander funktioniert,
00:30:35: auch wenn man unterschiedlich ist.
00:30:36: Andere Erfahrungen
00:30:37: und Hintergründe mitbringt.
00:30:39: Wie Dialog funktioniert
00:30:41: und wie man dabei noch
00:30:43: soziale Projekte umsetzt
00:30:45: und etwas für das Gemeinwohl tut.
00:30:47: Und ich selbst konnte ja schon häufiger
00:30:49: mit Jugendlichen
00:30:50: aus diesem Projekt sprechen.
00:30:51: Und ich muss sagen,
00:30:52: die haben mich wirklich sehr beeindruckt.
00:30:53: Mit ihrem Spirit,
00:30:54: mit ihrem Gestaltungswillen
00:30:56: und ihrem Zusammenhalt.
00:30:58: Also ein Projekt,
00:30:59: das ich wirklich allen
00:31:00: Jugendlichen sehr ans Herz legen kann.
00:31:02: Wer Interesse hat, der
00:31:04: schaut mal auf www.youthbridge.eu vorbei
00:31:09: und meldet euch ganz einfach
00:31:10: beim Team von YouthBridge.
00:31:12: Und damit nicht genug, Frau Haller,
00:31:14: neben dem Projekt YouthBridge
00:31:16: haben Sie eine Wanderausstellung
00:31:18: betreut “Mit Davidstern und Lederhose”.
00:31:22: Woher kommt bitte dieser Titel?
00:31:24: Also diesen Namen habe ich geklaut,
00:31:27: aber mit Erlaubnis geklaut
00:31:29: von meinem Ehemann, von Roman Haller.
00:31:33: Er hat nämlich ein Buch geschrieben
00:31:35: “Mit Davidstern und Lederhose”.
00:31:37: Und es geht um seine Jugend,
00:31:39: wie er hier als Bayer sich fühlt.
00:31:40: Er ist ja ein absoluter Bayer,
00:31:42: und dazu gehört auch
00:31:43: seine Lederhose selbstverständlich,
00:31:45: hat er darüber geschrieben
00:31:47: als Jugendlicher,
00:31:48: wie er hier aufgewachsen ist.
00:31:50: Und ich fand diese,
00:31:51: diese doppelte Identität,
00:31:53: die spricht ja auch für uns.
00:31:54: Ja, wir sind Juden,
00:31:56: aber wir sind auch Bayern.
00:31:58: Wir sehen ja diese doppelte Identität,
00:32:00: wir leben die
00:32:01: und wir haben überhaupt kein Problem,
00:32:03: wie viele andere
00:32:04: auch, mit doppelten Identitäten zu leben.
00:32:06: Man muss nur wissen, welche man hat
00:32:08: und was die Ursprünge sind.
00:32:10: Okay,
00:32:11: also ich habe mir diesen Titel
00:32:13: mit Genehmigung von ihm ausgeliehen
00:32:15: und so hat diese Ausstellung angefangen.
00:32:18: Und der Gedanke
00:32:19: dieser Ausstellung ist,
00:32:20: selbstverständlich ist
00:32:22: auch Erinnerungsarbeit dabei.
00:32:24: Ja, also Shoah und Geschichte.
00:32:26: Weil eigentlich der Gedanke ist dahinter,
00:32:29: dass jüdische Geschichte
00:32:30: Heimatgeschichte ist.
00:32:32: Und das ist genau das,
00:32:33: was wir zeigen wollten.
00:32:34: Wir wollten nicht nur das Traurige
00:32:37: und das Verfolgt sein
00:32:38: und die Shoah zeigen, sondern
00:32:41: wir wollten eigentlich
00:32:42: ganz anders ansetzen
00:32:43: auf das Positive, auf das Gute.
00:32:45: Und das gibt es ja auch.
00:32:46: Also über das jüdische Leben
00:32:48: bei uns in Bayern aufklären.
00:32:50: Und diese Ausstellung,
00:32:51: das war eine echte,
00:32:52: eine Präsenzausstellung
00:32:54: und mittlerweile ist sie digital.
00:32:55: Richtig.
00:32:56: Also wir sind durch alle sieben
00:32:59: Bezirke, getingeltangelt,
00:33:00: nennen wir es mal so.
00:33:02: Sehr erfolgreich, muss ich sagen.
00:33:04: Und für die Nachhaltigkeit,
00:33:06: weil es uns ja immer wichtig ist,
00:33:08: auch jedes Projekt,
00:33:09: welches ja auch unterstützt
00:33:10: wird, auch die Nachhaltigkeit dann
00:33:12: weiter zu betreiben.
00:33:14: Wir sind jetzt schon in die nächste Phase
00:33:16: gerückt,
00:33:17: sage ich mal, dass sie digitalisiert ist
00:33:19: und immer mehr
00:33:20: und mehr digitalisiert wird, auch mit KI
00:33:23: und auch mit den Brillen
00:33:25: und also in 3D-Form.
00:33:27: Also wir sind voll
00:33:28: auf diese Seite jetzt gegangen
00:33:31: und dass sie dadurch
00:33:32: als Projekt abrufbar ist.
00:33:34: Das heißt,
00:33:35: wir müssen nicht unbedingt
00:33:36: physisch mit der Ausstellung
00:33:37: jetzt irgendwo hingehen,
00:33:38: sondern auf
00:33:39: Knopfdruck, wenn Sie so möchten.
00:33:42: Ich habe mir das online angeschaut
00:33:43: und ich fand die
00:33:44: bayerisch-jüdischen Geschichten,
00:33:46: die man da lesen kann,
00:33:47: wirklich super spannend!
00:33:48: Zum Beispiel
00:33:49: über den ehemaligen Präsidenten des
00:33:51: FC Bayern, Kurt Landauer, der Jude war.
00:33:54: Über den Erfinder
00:33:55: der Jeans, Levi
00:33:57: Strauss, der in Bayern geboren wurde.
00:33:59: Und über Albert Einstein,
00:34:01: der seinem Vater
00:34:02: bei der Beleuchtung
00:34:03: des Oktobersfestes mithalf.
00:34:05: Alles Geschichten,
00:34:06: die nicht viele Menschen kennen.
00:34:09: Die Ausstellung
00:34:10: war bis vor kurzem
00:34:11: auch im Sozialministerium aufgebaut
00:34:14: und auch hier haben wir ein paar Stimmen
00:34:15: von ihren
00:34:17: Mitarbeitern über weitere Aspekte
00:34:19: der Ausstellung eingefangen.
00:34:20: Hören wir noch mal kurz rein.
00:34:21: Mein Name ist Jonas Mages,
00:34:22: ich bin Projektleiter von “Davidstern
00:34:24: und Lederhose”
00:34:24: und auch Fachreferent
00:34:25: für Antisemitismus-Prävention
00:34:26: und jüdisches Leben
00:34:27: bei der Europäischen Janucz Korcak
00:34:28: Akademie hier in München.
00:34:29: Und wir sind heute
00:34:31: hier, um unsere Ausstellung zu zeigen
00:34:33: im Sozialministerium,
00:34:34: im Bayerischen Sozialministerium.
00:34:36: Und zwar
00:34:37: ist unsere Ausstellung ein
00:34:39: sehr, sehr
00:34:39: untypisches Ausstellungsprojekt.
00:34:41: Wir haben so begonnen,
00:34:42: dass wir eine Pop up Ausstellung sind
00:34:43: und zwar eine interaktive.
00:34:45: Und diese interaktive Ausstellung
00:34:46: sollte einen Rahmen bieten
00:34:47: für eine jüdisch-nichtjüdische Begegnung.
00:34:49: Das heißt,
00:34:50: unsere Ausstellung war nicht museal
00:34:51: oder ist nicht museal,
00:34:52: sondern unsere Ausstellung
00:34:53: ist ein Ort des Lebens.
00:34:54: Hier ist unser Wallach-Stand.
00:34:56: Unser Wallach-Stand
00:34:57: beschäftigt sich mit der Geschichte
00:34:58: der Gebrüder Wallach.
00:34:59: Das waren zwei Bielefelder Juden.
00:35:00: Die kamen am Ende des 19.
00:35:02: Jahrhunderts von Bielefeld nach München,
00:35:03: also eine Migrationsgeschichte
00:35:05: von zwei Juden nach Bayern.
00:35:06: Und haben den Bayern
00:35:08: die Trachten gebracht, d.h.
00:35:09: sie haben die aus den umliegenden Dörfern
00:35:10: zusammengesammelt, neu aufgearbeitet
00:35:12: und diese Trachten, die früher
00:35:14: eigentlich eher
00:35:14: die dörfliche Bauernkleidung war,
00:35:16: zu dem gemacht,
00:35:17: was wir heute als Trachten verstehen.
00:35:19: Hallo,
00:35:19: herzlich willkommen
00:35:20: an unserem Judeika-Stand.
00:35:21: Mein Name ist Miriam Vinograg,
00:35:23: von der Europäischen
00:35:24: Janucz Korcak Akademie.
00:35:25: Judeika heißt
00:35:27: Objekte aus dem Judentum,
00:35:29: aus dem jüdischen Alltag.
00:35:31: Und hier haben wir eine Bandbreite davon
00:35:33: und wir erklären hier etwas
00:35:36: von der jüdischen Kultur,
00:35:38: Religion und jüdischen Werten.
00:35:40: Das ist ein Modell von einer Laubhütte.
00:35:42: Wir feiern immer jedes Jahr
00:35:44: das Laubhüttenfest im Herbst, im Oktober
00:35:47: also um den Dreh,
00:35:48: und da essen wir alle Mahlzeiten unter so
00:35:51: einem Dach aus grünen Ästen.
00:35:55: Und damit zeigen wir unser
00:35:57: Vertrauen in Gott,
00:35:58: dass wir an Gottes Hilfe angewiesen sind.
00:36:01: Hier kann man ein bisschen was erfahren
00:36:02: zu Judentum
00:36:03: und Bergen, nicht nur in den Alpen.
00:36:05: Mit Elisabeth Block,
00:36:06: aber auch in den Rocky
00:36:07: Mountains im Kaukasus
00:36:08: gibt es viele Geschichten,
00:36:09: die wir mitgebracht haben
00:36:10: und die könnt ihr hier erfahren
00:36:12: und lernen.
00:36:13: Unsere Ausstellung zeigt
00:36:15: und thematisiert auch Antisemitismus.
00:36:17: Es ist im Berg
00:36:18: ein bisschen das Thema aufgearbeitet,
00:36:20: das heißt, es spielt eine Rolle.
00:36:21: Aber wir wollen jüdisches Leben
00:36:23: nicht nur auf Antisemitismus reduzieren.
00:36:25: Das ist mit dabei,
00:36:26: aber nicht alles, was wir hier haben.
00:36:28: Wer Lust hat,
00:36:28: unsere Ausstellung
00:36:29: ein bisschen näher kennenzulernen,
00:36:30: kann sie auch buchen.
00:36:31: Wir können sie bringen
00:36:32: in ihre Kommune, in ihre Organisation,
00:36:33: aber auch in ihre Schulen.
00:36:35: Im Prinzip überall hin.
00:36:36: Aber nicht nur das.
00:36:37: Wir haben ganz
00:36:38: interaktive Workshop-Formate,
00:36:39: wir haben ganz
00:36:39: interaktive Bildungs-Formate
00:36:41: mit Virtual Reality, mit bayerisch
00:36:42: jüdischen Geschichten
00:36:43: zum Kennenlernen von Judentum
00:36:44: oder auch zu
00:36:44: Radikalisierung und Prävention.
00:36:46: Melden Sie sich gerne, Wir freuen uns.
00:36:48: Liebe Frau Haller,
00:36:48: das ist wirklich ein
00:36:50: ganz tolles Projekt Ihrer Akademie
00:36:52: und das zeigt,
00:36:53: wie sehr Bayern und Judentum
00:36:55: miteinander verwoben sind.
00:36:57: Online zu finden
00:36:58: unter www.MitDavidsternUndLederhose.de.
00:37:04: Alles in einem Wort geschrieben.
00:37:05: Also schauen Sie da mal rein.
00:37:06: Und ich möchte jetzt noch mal kurz
00:37:08: auf die Prävention,
00:37:09: auf die Radikalisierungsprävention
00:37:11: zu sprechen kommen.
00:37:13: Die Bayerische Sozialministerin
00:37:15: hat mal gesagt
00:37:15: “Prävention ist für den Zusammenhalt
00:37:18: und das friedliche Zusammenleben
00:37:20: in unserer Gesellschaft
00:37:21: wichtiger denn je.”
00:37:24: Wie muss denn
00:37:24: Ihrer Meinung nach in Zukunft
00:37:26: die Präventionsarbeit aussehen?
00:37:28: Dass wir gerade
00:37:28: den Antisemitismus eindämmen?
00:37:31: Nicht nur den Antisemitismus!
00:37:32: Wie gesagt, das ist der erste Schritt.
00:37:35: Wir müssen alles eindämmen,
00:37:37: was gegen Menschen gerichtet
00:37:39: ist, egal
00:37:40: welcher Religion
00:37:41: oder welcher Ethnie es ausgerichtet ist.
00:37:44: Also nach meiner
00:37:45: persönlichen Lebenserfahrung ist das nur
00:37:49: auf einer Weise möglich: Bildung
00:37:52: (Janusz Korczak) und Respekt,
00:37:56: das sind die zwei
00:37:57: Kriterien,
00:37:58: die auch uns als Akademie
00:38:00: zugrunde liegen.
00:38:01: Und das ist eigentlich das,
00:38:03: was wir als Prävention sehen.
00:38:05: Egal in welchen dieser
00:38:07: vielen Projekte,
00:38:08: die wir genannt
00:38:09: oder die ich genannt habe.
00:38:11: Sie sind alle auf dieses gleiche Prinzip:
00:38:13: auf Augenhöhe, mit Respekt sich begegnen
00:38:17: und in Dialog treten.
00:38:18: Deswegen,
00:38:19: wenn ich mit Jugendlichen spreche
00:38:20: oder auch mit anderen,
00:38:21: ich sage immer: “Jede Frage ist erlaubt,
00:38:24: wir können über alles sprechen.
00:38:26: Wir müssen nicht
00:38:26: immer der gleichen Meinung sein.”
00:38:28: Ich meine,
00:38:28: wir sind nun mal verschieden
00:38:30: mit verschiedenen Lebenserfahrungen,
00:38:32: aber wir müssen miteinander sprechen.
00:38:36: Und da
00:38:36: schwingt sicherlich wesentlich
00:38:38: der Geist des Namensgebers
00:38:40: Ihrer Akademie, Janusz Korczak, mit.
00:38:42: Vielleicht noch ein paar Informationen
00:38:44: zu ihm
00:38:45: Janusz Korczak, geboren 1878 oder 1879,
00:38:48: so genau weiß man das nicht.
00:38:50: Er lebte bis 1942 und hieß
00:38:53: eigentlich Henrik Goldsmith.
00:38:56: Er war ein polnischer Arzt,
00:38:58: Pädagoge und Autor jüdischer Abstammung.
00:39:02: Und in Warschau,
00:39:03: da leitete er ab 1911
00:39:05: das jüdische Waisenhaus,
00:39:07: indem er für seine Zeit
00:39:09: radikale pädagogische Reformen
00:39:11: umsetzte,
00:39:12: indem er den Kindern viel eigenen
00:39:14: Gestaltungsraum ließ
00:39:15: und seine Pädagogik
00:39:17: der Achtung,
00:39:18: die er in vielen Büchern niederlegte,
00:39:20: die war ihrer Zeit um Jahrzehnte voraus
00:39:22: und ist heute auch aktueller denn je.
00:39:25: Und nach dem deutschen Überfall,
00:39:27: da wird sein Waisenhaus ins Warschauer
00:39:29: Ghetto verlegt,
00:39:30: wo er für die Kinder
00:39:31: unter größten Mühen,
00:39:33: unter menschenunwürdigen Bedingungen
00:39:35: eine Art Alltag aufrecht erhielt.
00:39:38: Und mehrere Angebote,
00:39:40: sich selbst zu retten, schlug er aus.
00:39:42: Und er
00:39:43: begleitete seine Waisen
00:39:44: Anfang August 1942
00:39:46: bei der Deportation
00:39:48: ins Vernichtungslager.
00:39:50: Hier wurde dann Korczak
00:39:51: mit seinen Kindern ermordet.
00:39:53: Doch seine Ideen,
00:39:54: seine Hingabe
00:39:55: und seine tiefe Menschlichkeit,
00:39:57: die wirken bis heute nach.
00:39:59: Er gilt als Vorreiter der Kinderrechte.
00:40:02: Eine wirklich
00:40:03: beeindruckende Persönlichkeit.
00:40:05: Und es gibt ein Zitat von ihm:
00:40:07: “Habe Mut zu dir selbst
00:40:09: und suche deinen eigenen Weg.”
00:40:12: Und wenn ich mir jetzt
00:40:13: Ihre Biografie anschaue,
00:40:15: ihren Optimismus, ihre Energie.
00:40:17: Ist das so ein bisschen Ihr Lebensmotto?
00:40:20: Absolut, ja.
00:40:21: Aber das wusste ich nicht.
00:40:23: Bis ich Janusz Korczak begegnet bin.
00:40:26: Ja, ich habe Ihnen gesagt,
00:40:27: meine ganzen Lebensstationen
00:40:29: sind eine lange
00:40:31: Anreihung von Lebensabschnitten gewesen,
00:40:34: um dahin zu kommen, wo ich heute bin.
00:40:37: Und ich habe ja
00:40:39: wirklich erst 2009 kennengelernt,
00:40:43: in einem Gespräch
00:40:44: mit meinem Mitbegründer,
00:40:49: das ist Stanislawski Lewinsky,
00:40:51: mit dem wir zusammen
00:40:52: die Janusz Korczak Akademie
00:40:54: gegründet haben,
00:40:55: wo ich zum ersten Mal den Namen
00:40:57: Janusz Korczak,
00:40:58: weil er ist der Kontakt gewesen
00:41:00: und er der Pädagoge.
00:41:02: Ich komme ja aus PR und aus Journalismus.
00:41:05: Ich habe zum ersten Mal
00:41:06: Janusz Korczak Namen
00:41:08: damals von ihm gehört,
00:41:10: wer das überhaupt ist und wer er war
00:41:13: und welche Rolle
00:41:15: und welche
00:41:15: schillernde Persönlichkeit
00:41:17: er weit seiner Zeit voraus war.
00:41:19: Praktisch als Vater der Kinderrechte.
00:41:21: Weil das war er ja,
00:41:24: habe ich von ihm erfahren.
00:41:25: Und als wir damals in diesem Cafe
00:41:27: hier in München
00:41:28: saßen, in San Francisco Cafe.
00:41:30: Man soll keine Werbung machen,
00:41:32: aber der Kaffee ist nicht schlecht dort.
00:41:34: Also, da saßen wir auf jeden Fall länger.
00:41:36: Und er erzählte mir,
00:41:38: wer Janusz Korczak ist, weil er leitete
00:41:40: die Janusz Korczak
00:41:41: Institution in Petersburg
00:41:43: schon viel früher.
00:41:45: Und als ich
00:41:46: mir das alles so angehört habe,
00:41:49: dann habe ich ihn angeschaut,
00:41:50: weil er sagte,
00:41:51: wir sollten irgendwas machen.
00:41:53: Und ich meinte: Weißt du was,
00:41:55: das machen wir.
00:41:56: Und er sagte: Ja, was meinst du, was?
00:41:58: Und meine Antwort war
00:41:59: und ich weiß das, jeder lacht darüber,
00:42:01: aber es ist wirklich wahr.
00:42:03: Ich habe gesagt: Weißt du was?
00:42:05: Wir gründen die europäische Janusz
00:42:08: Korczak Akademie.
00:42:10: Und ich erinnere mich noch ganz genau.
00:42:12: Er hatte so einen Stift in der Hand.
00:42:15: Das ist ihm dann aus der Hand gefallen
00:42:17: und er guckte mich an und er sagte: Was?
00:42:19: Da hab ich gesagt:
00:42:20: Ja, genau
00:42:21: wir begründen jetzt die Europäische
00:42:23: Janusz Korczak Akademie.
00:42:25: Und er hat dann gar nichts mehr gesagt.
00:42:28: Er hat gesagt: Okay,
00:42:28: das sprechen wir noch darüber.
00:42:30: Und wir sind auseinandergegangen.
00:42:32: Dann bin ich nach Hause gegangen
00:42:33: und das habe ich auch
00:42:34: meinen Mann erzählt.
00:42:35: Und er hat mich auch
00:42:36: dann angeguckt und hat gesagt:
00:42:38: Sag mal, so was wie Münchner
00:42:40: Akademie oder Bayerische oder irgendwas?
00:42:44: Habe ich gesagt: Nein.
00:42:46: Das gesagt, getan.
00:42:49: So ist das.
00:42:50: Eva Haller, zum Schluss,
00:42:54: wir haben sehr,
00:42:55: sehr viel von ihnen mitgenommen.
00:42:56: Aber als, vielleicht als Inspiration,
00:42:59: als “take home message” Neudeutsch:
00:43:03: Was kann jeder Einzelne von uns tun,
00:43:06: um die Welt vielleicht
00:43:06: ein Tick besser zu machen?
00:43:08: Jeder kann alles tun.
00:43:10: Und das ist eigentlich,
00:43:11: das wenn ich auch mit
00:43:12: Jugendlichen immer spreche,
00:43:13: egal ob das in einer
00:43:14: Synagogen-Führung ist
00:43:16: oder im Rahmen der Akademie.
00:43:18: Ich sage immer: Denkt an eine Sache:
00:43:22: The Sky is the limit.
00:43:27: In unserem Podcast
00:43:28: Bayern.Gemeinsam.Stark.
00:43:30: Heute zu Gast Eva Haller,
00:43:31: die Präsidentin der Europäischen
00:43:33: Janusz Korczak Akademie Faller
00:43:36: Das war ein klasse Gespräch.
00:43:36: Danke. Dankeschön.
00:43:39: Und wir haben viele
00:43:40: weitere spannende Persönlichkeiten
00:43:42: in diesem Podcast
00:43:43: schon getroffen: Sportler
00:43:44: wie Thomas Hitzlsperger, Giovane Elber,
00:43:46: die Journalistin Natalie Amiri,
00:43:48: den deutsch-israelischen Psychologen,
00:43:50: Extremismus-Experten und Autor
00:43:52: Ahmad Mansour und viele weitere.
00:43:54: Also am besten,
00:43:56: Sie abonnieren diesen Podcast,
00:43:58: dann verpassen Sie keine Folge mehr.
00:44:00: Danke für Ihr Interesse.
00:44:20: Bayern.Gemeinsam.Stark.
00:44:23: Der Podcast mit Menschen,
00:44:24: die uns inspirieren.
00:44:26: Eine Produktion
00:44:27: des Bayerischen Staatsministeriums
00:44:29: für Familie, Arbeit und Soziales.
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