Giovane Élber, ehemaliger Fussball-Profi, über seine Kindheit und sein soziales Engagement

Shownotes

Wir freuen uns über ein sehr unterhaltsames Gespräch mit Giovane Élber - Fußball-Legende beim FC Bayern, Sympathieträger und ein Garant für gute Laune. Ein bayerischer Brasilianer oder doch ein brasilianischer Bayer? Egal wie - Bayern ist die zweite Heimat des Brasilianers geworden.

Giovane Élber wurde 1972 in Londrina/Brasilien geboren und lebte dort in armen Verhältnissen. Seine Arbeit bei der Bank tauschte er - nicht zur Freude seiner Mutter - gegen eine Fußballer-Karriere ein. Viel Talent und harte Arbeit brachten ihn schließlich zum FC Bayernm mit dem er viele Titel gewann und der auch heute noch wie seine zweite Familie ist. Durch seine authentische Art und sein echtes Interesse an den Menschen gewann er schnell die Herzen der Fans.

Wie er sich schon als aktiver Fußballer für Kinder in seiner Heimat einsetzte und was aus seinem zu Beginn sehr kleinem Projekt dort inzwischen geworden ist, erzählt er im Gespräch mit Moderator Tobias Ranzinger.

Lasst euch inspirieren!

Links: https://giovane-elber-stiftung.de/ https://www.stmas.bayern.de/staatsmedaille/index.php

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Transkript anzeigen

00:00:01: Unbekannt Man kann die Welt nicht retten. Aber wenn es Menschen, die in unserer Nähe sind, besser geht - ich glaube, das ist schon ein guter Anfang.

00:00:16: Unbekannt Bayern gemeinsam stark. Der Podcast mit Menschen, die uns inspirieren.

00:00:35: Unbekannt

00:00:55: Unbekannt Herzlich willkommen zu unserem Podcast Bayern. Gemeinsam. Stark. Mein Name ist Tobias Ranzinger und hier treffen wir Menschen aus Bayern. Menschen, die Bayern ausmachen, die Bayern bewegen Menschen, die uns inspirieren. Und heute haben wir zu Gast Giovane Élber. Ich freue mich sehr. Wir haben uns auf Du geeinigt, schön, dass du da bist. Ja. Hallo. Servus. Herzlich willkommen, Giovane Élber. Ich möchte dich ganz kurz vorstellen.

00:01:19: Unbekannt Giovane Élber ist ehemaliger Profifußballspieler. Geboren 1972 in Londrina in Brasilien. Der Stürmer spielte unter anderem für den VfB Stuttgart und natürlich für den FC Bayern München. Er war Bundesliga Torschützenkönig 2003, und Giovane Élber wurde mit dem FC Bayern unter anderem je vier Mal Deutscher Meister. DFB Pokal Sieger und sein mitunter größter Erfolg ist der Champions League Sieg gegen den FC Valencia.

00:01:49: Unbekannt Im Dezember 2023 erhielt Giovane Élber zusammen mit seiner Ehefrau die deutsche Staatsangehörigkeit. Und heute ist er FC Bayern - Markenbotschafter. Giovane, jedem, dem ich erzählt habe, dass ich dich treffen würde, ob Fussballfan oder nicht, sagte: Das ist ja toll. Die haben michch richtig beneidet. Ja, ich hab jetzt alles so gehört, was ich schon gemacht haben. Und es kommt mir vor wie ein Traum, weil als ich angefangen habe, Fußball zu spielen,

00:02:18: Unbekannt haben wir nie gedacht, dass ich so weit kommen kann mit dem Fußball oder mit meinem Leben. Ich wäre schon froh gewesen, nur in Brasilien Fußball zu spielen. Aber auf einmal ist alles anders geworden. Am anderen Ende der Welt, in Bayern, hast du dann ganz, ganz große Erfolge gefeiert. In diesem Podcast reden wir auch sehr viel über Inspiration.

00:02:41: Unbekannt Wir möchten auch gerne was von dir lernen. Ich wünsche mir heute Antworten. Was können wir Bayern vielleicht von der brasilianischen Mentalität lernen? Wie kann Fußball zum Zusammenhalt beitragen? Und wie hast du über die vielen Jahre deine Topleistung so weit immer oben gehalten? Wie ist dir das gelungen? Aber bevor wir loslegen: Wir stellen unseren Gästen zu Beginn immer fünf Fragen und da bitte ich dich um kurze Antworten.

00:03:06: Unbekannt Bitte vervollständige für mich den Satz. Bayern ist für mich...Heimat. Was kann denn die Welt, was kann Bayern von Giovane Élber lernen? Lockerheit. Was macht die Gemeinschaft stark? Oder was fördert das Zusammengehörigkeitsgefühl unter Menschen?

00:03:30: Unbekannt Ich denke, Unterstützung. Dass einer für den anderen da ist. Wenn ich mir etwas wünschen dürfte für die Menschen in Bayern, dann wäre das? Ganz klar an erster Stelle: Gesund bleiben, weil das ist das Wichtigste im Leben. Die Zukunft wird gut, weil? Weil wir versuchen, immer positiv zu sein. Du bist 1972 in Londrina, einer Stadt in Brasilien geboren. So gut eine halbe Million Einwohner.

00:04:03: Unbekannt Ich habe nachgeschaut. Es im Landesinneren, westlich von Sao Paulo. Wie bist du früher als kleiner Giovane überhaupt zum Fußball gekommen? Ja, das ist eine gute Geschichte. Eigentlich wollte ich gar nicht Fußballer werden, weil als kleiner habe ich immer Fußball gespielt mit meinen Freunden auf der Straße. Und auf einmal habe ich angefangen zu arbeiten in einer Bank.

00:04:28: Unbekannt Als Minderjähriger durfte ich vier Stunden arbeiten. Und ich habe viel Geld verdient damals, also mehr als mein Papa, der den ganzen Tag gearbeitet hat. Und für meine Mutter wäre es ein Traum gewesen: Giovane Élber in der Bank, da zu arbeiten, mit Krawatte und allem. Aber später habe ich gesagt: Nein, das will ich nicht für mich. Bank ist schön, das Geld, das ist gut.

00:04:55: Unbekannt Das hilft uns schon sehr, weil wir sind aus armen Verhältnissen. Aber ich will vielleicht Fußballer werden. Ja, und meine Mama wollten mich fast umbringen. Sie hat gesagt: Bist verrückt? Das kann nicht sein! Guck mal hier in unsere kleine Stadt! Fußballer, die spielen nur drei Monate. Auf einmal haben die gar nichts mehr zu tun. Die laufen hier in der ganzen Stadt rum

00:05:18: Unbekannt und tun gar nix. Und ich will das nicht, dass mein Sohn auch so was macht. Ich sag: Mama, ich versuch das, lass es mich versuchen. Wenn es nicht geht, wenn ich merke, ich komme nicht weiter, dann komme ich zurück zur Bank, suche einen anderen Job und werde dann ganz normal arbeiten. Und Gott sei Dank ist das dann so schnell gegangen.

00:05:36: Unbekannt und ich bin in kurzer Zeit Fussballer geworden. Klar, Glück braucht man. Aber eines muss ich sagen: Mein Bruder hat früher besser Fußball gespielt als ich gespielt habe. Irgendwie hat er es nicht geschafft, weil als die Zeit gekommen ist, um Profi zu werden, als Profi zu leben. Und meine Bruder hat es nicht geschafft. Der wollte ganz normal leben. Wochenende mit Kumpels saufen gehen, Spaß haben, leben.

00:06:03: Unbekannt Und bei mir war das schon anders. Ich war schon fokussiert. Als Kleiner mit meinen 16, 17, war ich schon fokussiert. Wenn man das will, Profi zu werden, muss man auf vieles verzichten und das hab ich auch gemacht. Von nichts kommt nichts. Der alte Spruch. Das habe ich in Deutschland gelernt, von nichts kommt nichts. Und das stimmt. Das ist die Wahrheit. Wenn später viele Freunde von mir gesagt haben, "da hast du aber Glück gehabt in deinem Leben".

00:06:29: Unbekannt Ja, ein bisschen schon, aber nichtdestotrotz musste ich auch viel arbeiten. Ich musste früh aufstehen. Ich musste zur Schule gehen, am Tag arbeiten oder am Tag trainieren, abends arbeiten. Das war so mein Tagesablauf, bis ich gemerkt habe, das mit der Arbeit geht nicht mehr. Es geht nur Schule und Fußball. Und auf einmal ging selbst die Schule nicht mehr. Und dann war halt nur Zeit für Fußball gewesen.

00:06:56: Unbekannt Wenn du sagst, du hast während deiner Bankzeit als du dort gearbeitet, hast viel Geld verdient, mehr als dein Vater. Wie kann ich mir deine Kindheit vorstellen? Hattet ihr wenig Geld? Wir hatten ganz wenig Geld. Also wir waren froh, zweimal warmes Essen am Tisch zu haben. Das war für uns schon ein Luxus, weil nicht jeder dort, wo ich gelebt hatte, hatte sowas.

00:07:21: Unbekannt Wir hatten das und oft haben wir unser Nachbar auch unterstützt. Wenn wir ein bisschen mehr bekommen hatten, dann haben wir Nachbarn eingeladen zu uns, zum Essen. Und so war die ganze Straße, das Dorf sehr familiär. Eine war für die anderen da sozusagen. Weil nicht jeder hat gutes Geld verdient, einer ein bisschen mehr. Oder wenn wir Kinder geholfen haben, um an das Geld zu kommen, dann hat man das aufgeteilt. Und das habe ich von klein auf gelernt. Was man hat, kann man auch teilen mit benachteilige Menschen. Und das machst du heute noch.

00:07:59: Unbekannt Du hilfst, du unterstützt Kinder in Brasilien. Darüber werden wir nachher noch sprechen. Bleiben wir mal kurz noch bei deiner Fußballerlaufbahn, bei deiner tollen, sehr erfolgreichen Profifußballerkarriere. Mit 21 Treffern hast du in der Saison 2002/2003 den Titel Bester Bundesliga-Torjäger bekommen. Und was ich ein total klasse Kompliment finde: Deine Profikollegen haben dich damals zum besten Feldspieler der Saison gewählt.

00:08:28: Unbekannt Ich glaube, das ist eine ganz, ganz tolle Auszeichnung. Dann folgten sechs Spielzeiten beim FC Bayern in deiner Laufbahn, jede Menge Erfolge, der Gewinn des Weltpokals und natürlich auch die Champions League. Warst ganz vorne mit dabei. Wie hast du diese Topleistung immer bringen können? Also, ich habe mir nie einen Kopf gemacht, nie Gedanken gemacht: Was muss ich jetzt noch anderes machen?

00:08:54: Unbekannt Ich war einfach der Giovane, der in Londres geboren ist. Ich bin nie durchgedreht. Ob ich am Tag drei Treffer erzielt haben und nächste Woche kein Treffer - ich war immer der gleiche Mensch. Bin immer der gleiche Mensch geblieben. Und ihr wollt. Mir war immer klar, Erfolgen muss man haben mit der Mannschaft. Also es geht nicht um Einzelpersonen, es geht um das Team, die Mannschaft.

00:09:20: Unbekannt Wenn wir gemeinsam was bewegen können, dass wir gewinnen können. Torschützenkönig, das war wunderschön, Torschützenkönig zu werden, bester Spieler der Saison. Aber für mich waren wichtiger die vier Deutschen Meisterschaften, die wir gewonnen haben, Champions League Sieger, Welt Pokalsieger zu werden - also das war mir wichtiger als ein Einezltitel, den ich geholt habe.

00:09:46: Unbekannt Nach deiner Bank, hast du da jemals wieder richtig arbeiten müssen oder war das eher Hobby? Hobby! Das war Hobby! Arbeit war für mich damals in der Bank, die vier Stunden, das war schon ein bisschen hart. Weil der ganze Tag war voll: morgens Schule, Nachmittag trainiert, Fußball gespielt und abends gearbeitet von 18:00 bis 22:00. Das war mein Tag.

00:10:12: Unbekannt Mir war klar, das dem Fussball ist ein Hobby. Weil das kann nicht sein, dass man beim Fußball sagen kann, das ist Arbeit! Giovane, das war aber auch ein sehr erfolgreiches Hobby. Du hast es zur Perfektion getrieben. Ich habe mal rausgesucht, du hast in der Bundesliga insgesamt 133 Treffer erzielt. Und ein Tor muss ich ansprechen. 1999, in der Partie in Rostock, hast du von der Eckfahne aus ein Tor verwandelt.

00:10:40: Unbekannt Eckfahne. Und dann ging der ins Tor. Das war das Tor des Monats und wurde dann später zum Tor des Jahres gewählt. Wie schießt man von der Eckfahne ins Tor? Also ich muss ehrlich sein, das war das einfachste Tor, das ich geschossen habe. Weil in diese Situation braucht man nicht lange nachzudenken. Der Torwart stand neben mir, Ball liegt vor mir.

00:11:05: Unbekannt Ich muss nur das Tor treffen. Also klar, mit links ist nicht ganz einfach, weil der linke Fuß war nicht mein Bester. Aber ich habe es einfach versucht und auf einmal war Ball drin. Das war wirklich das einfachste Tor, das ich geschossen habe. Und ist am Ende das schönste Tor geworden. Ich habe ein paar Bezeichnungen, Attribute rausgesucht. DAZN nennt dich Bayerns Schlitzohr.

00:11:31: Unbekannt Der FB Bayern auf seiner Homepage sagt: Der Samba Stürmer Giovane Élber. Bei dir hört sich das alles so ganz leicht und locker an. Als du nach Deutschland gekommen bist, wie lange hat es gedauert, bis du Deutsch sprechen konntest? Also, das war ein bisschen einfach gewesen, weil ich bin von Zürich nach Deutschland gekommen. Okay, in Zürich spricht man auch schon andere Sprache.

00:11:54: Unbekannt Aber ich habe Hochdeutsch gelernt. Als ich zum VfB Stuttgart gekommen bin, da konnte ich ich mich schon mit meinen Mitspielern, mit dem Trainer verständigen. Es war aber nicht so einfach, wenn ich jetzt erzähl von Zürich, wie es war die erste Monate. Ich habe Tag und Nacht geweint. Ich wollte zurück nach Hause. Ich kannte keinen Winter. So was haben wir nicht in Brasilien wie hier in Europa.

00:12:21: Unbekannt Und auf einmal bin ich mit 18 in der Schweiz, 14 Uhr im Winter schon dunkel, und dann auf einmal Schnee. Ich habe Mama angerufen und gesagt "Mama, ich will zurück. Also hier kann man nicht Fußball spielen. Wie kann man ein Fußballspielen bei Minusgraden? Mama, das kannst du dir in Brasilien nicht vorstellen, wie kalt das hier ist.

00:12:42: Unbekannt Das ist kalt wie im Kühlschrank. Sag mir, wie kann man da Fußball spielen?" Aber meine Mama war knallhart. Gott sei Dank. Sie hat gesagt: "Du willst Fußballer werden. Jetzt bist du Fußballer geworden, jetzt bleibst du in Zürich, jetzt geh zum Arbeiten und fertig. Ich will nicht, dass du nach Hause zurückkommst!". Das war für mich an dem Tag, als ich das gehört habe, hart.

00:13:05: Unbekannt Ich habe gedacht, nicht mal meine Mama will mich jetzt zurück haben. Jetzt muss ich durch. Aber das war Beste, was Mama mir gesagt hat. Mama hat vieles für mich gemacht, aber diese Worte bleiben heute noch bei mir hängen. Weil wenn sie damals gesagt hätte "Komm zurück", wäre ich heute nicht hier oder ich hätte mit dem FC Bayern nicht so viel Titel gewonnen werden, wäre nicht so erfolgreich gewesen.

00:13:28: Unbekannt Es wäre ganz anders geworden. Zum Glück hat deine Mutter das damals gesagt. Du bist nach Zürich, dann zum VfB Stuttgart. Und dann kam der Anruf vom FC Bayern. Oder wolltest du gar nicht hin? Der Anruf kam nicht vom FC Bayern, sondern Lothar Matthäus. Der Lothar Matthäus hat bei mir angerufen, der war der erste. Ich hab schon erwartet, dass sich Uli Hoeneß, Karlheinz Rummenigge

00:13:53: Unbekannt oder sogar der Franz sich bei mir meldet. Aber am Telefon: Lothar Matthäus. Ich sage: Lothar, was machst du? Ja, ich bin da mit dein Berater hier und bist hier bei uns im Gespräch. Du musst zum FC Bayern kommen. Das war ein schöne Zeit beim VfB Stuttgart. Aber jetzt kannst du ein neues Kapitel in deinem Fußballerleben schreiben.

00:14:16: Unbekannt Und das geht nur über den FC Bayern. Der war deutlich. Aber du hast nicht sofort Ja gesagt? Nein, weil beim VfB Stuttgart war das sehr familiär und ich habe das immer gebraucht, ein Familiengefühl zu haben. Und das war nicht nur das "Magische Dreieck", sondern das gesamte Team und sogar der Präsident, die Frau des Präsidenten, die war ja immer für uns da gewesen.

00:14:41: Unbekannt Meine Frau hat sich wohlgefühlt in Stuttgart. Wir haben in einem ganz kleinen Ort gelebt. Ich kannte den Bäcker, den Postbote, alle beim Namen. Das war richtig familiär. Und bei FC Bayern damals war das FC Hollywood. Und ich hatte schon große Angst, weil viele ausländische Spieler vom FC Bayern, die vor mir dort waren, die haben so maximal zwei Jahre gespielt, drei Jahre.

00:15:09: Unbekannt Jean-Pierre Papin, Adolfo Valencia und und und. Zum Schluss war noch Jürgen Klinsmann, also kein Ausländer, aber das war Jürgen Klinsmann. Er war nur so ein Jahr, zwei Jahre dort gewesen. Und deswegen hat man schon Angst gehabt, hierher zu kommen. Die Ablösesumme von Stuttgart zu den Bayern betrug damals unvorstellbare 6,5 Millionen €. So viel warst du wert.

00:15:36: Unbekannt Wie war das, als du am nächsten Morgen in den Spiegel im Badezimmer geschaut hast? Warst ja nicht eingebildet. 6,5 Millionen. Ja, als ich von Brasilien nach Mailand gekommen bin, hat der AC Mailand 1 Million US Dollar bezahlt. Für einen 18-jährigen war das der teuerste Transfer in Brasilien. Und dann später von Mailand zum VfB

00:16:05: Unbekannt waren es 3 Millionen Mark und vom VfB zu Bayern 12 Millionen Mark. 6,5 Millionen €. Ich hab gedacht, das gibt's ja nicht, dass man so viel wert ist. Deswegen bin ich auch zum FC Bayern gekommen, weil der damalige Präsident Mayer-Vorfelder von VfB Stuttgart hat mir gesagt: Giovane, wir brauchen das Geld, um dem Verein am Leben zu halten.

00:16:32: Unbekannt Wir haben den Vertrag von Fredi Bobic und Krassimir Balakowv verlängert und einer muss gehen. Alle drei hier zu halten, schaffen wir nicht. Wir machen dir kein Angebot, weil der FC Bayern wird viel viel mehr Geld zahlen und trotzdem hab ich gefragt: Machen sie mir bitte ein Angebot. Ich will schon hierher bleiben, es geht nicht ums Geld, wirklich, ich will schon hier bleiben.

00:16:55: Unbekannt Aber am Ende kommt es zur Ablösesumme. Und dann haben wir gedacht, okay, muss man halt jetzt Koffer packen und ab nach München. Und am Ende muss man sagen, es war kein Fehler. Wie lange hat es gedauert, bis du dich dann in München auch bei den Bayern zu Hause gefühlt hast? Vielleicht nicht mal einen Monat. Das war echt schnell. Ich konnte schon mit den Spielern sprechen und kommunizieren.

00:17:20: Unbekannt Ich kannte schon die Bundesliga, den FC Bayern. Die Spieler haben mir sehr geholfen und da hab ich auch gemerkt, der FC Bayern ist nicht so, wie man in der Presse liest. FC Hollywood. Klar ist alles größer. Und egal, was man sagt, es wird immer größer, größer, größer. Das muss man lernen, mit diesen Sachen umzugehen, in schlechten wie in guten Zeiten.

00:17:44: Unbekannt Und das habe ich schnell gelernt. Und deswegen habe ich es geschafft, hier sechs Saisons beim FC Bayern zu spielen. Ja, und eine Menge Rekorde, unglaublich viele Erfolge und 2006 hast du dann deine Karriere beendet. Wie war das danach? Bist du danach nicht in Loch gefallen? Erleichtert war ich. Weil das Fußballerleben, das ist nicht einfach. Man trainiert hart.

00:18:09: Unbekannt Tag und Nacht sitzt man im Verein. Man muss man froh sein, wenn man sich nicht so viel verletzt hat. Aber ich habe mir zweimal einen Wadenbeinbruch zugezogen. Knie, Arm, Schulter. Außer meinem Kopf ist mein ganzer Körper schon durchgebrochen. Muskuläre Probleme haben nie gehabt. Aber das Problem waren immer Brüche, Knochen. Und deswegen habe ich 2006 gedacht, jetzt ist schon Zeit aufzuhören. Ich hab gemerkt, langsam habe ich keinen Spaß mehr und die Fans auf der Tribüne, die wissen nicht, was für Schmerzen ich spüre auf dem Platz. Und ich habe gesagt Nein, so was brauche ich nicht.

00:19:00: Unbekannt Ich habe schon so viel verdient, ich kann jetzt locker aufhören und ich will morgen, übermorgen mit meinen Kindern spielen, mit meinen Sohn Rad fahren, Fußball spielen. Deswegen habe ich entschieden, 2006 aufzuhören. Du bist dem FC Bayern sehr verbunden geblieben. Du bist heute FC Bayern Markenbotschafter. Was machst du da? Ich war nie weg von der FC Bayern, muss man sagen.

00:19:23: Unbekannt 2006 hat Uli Hoeneß gesagt: Komm, du machst für uns Spieler Scouting, Südamerika. Ich habe das zwei Jahre, drei Jahre das gemacht. Ich habe gemerkt, das geht nicht. Das ist viel zu hart. Jeder will von dir was, jeder hatte Spieler, die besser sind als Giovane Élber. Ich habe gesagt, diesen Job brauche ich nicht wirklich.

00:19:48: Unbekannt Es macht mir Spaß, den Verein zu vertreten, aber nicht als Spielerscout. Und dann kommt, weil wir für Sponsoren vom FC Bayern viel gemacht haben, der FC Bayern auf die Idee, Markenbotschafter zu gründen. Paul Breitner war der Erste. Und dann war ich immer zusammen mit Paul Breitner, Hasan Salihamidžić, Bixente Lizarazu viel unterwegs gewesen.

00:20:14: Unbekannt Und ich sag heute: Den einfachsten Job bei FC Bayern habe ich als Markenbotschafter. Du hast keinen Stress, du fliegst um die Welt, du kennst viele nette, gute Leute. Du sprichst über Fußball, übers Leben, über alles. Und die Leute sind immer gut gelaunt. Es geht nicht mehr ums Ergebnis. Klar, wenn Bayern gewinnt, ist es viel einfacher, wenn ich was erzähle, als wenn die verlieren.

00:20:40: Unbekannt Aber es geht nicht um Ergebnis. Es geht darum, die Leute zu unterhalten und das kann ich sehr gut. Ist der FC Bayern so was wie eine erweiterte Familie für dich? Ja, ja. Es war schon als Fußballer für mich eine Familie und heute ist es noch mehr geworden. Weil ich habe wirklich gelernt, wie das alles im Verein abläuft, wie es funktioniert. Weil wenn du Fußballer bist, schaust du nur auf den Platz.

00:21:10: Unbekannt Jetzt habe ich einen anderen Blick und deswegen ist der FC Bayern nach wie vor eine Familie für mich. Du bist nicht nur Botschafter des FC Bayern, du bist auch Rinderzüchter. Du hast eine Farm in Brasilien. Ja, das ist wirklich so, weil ich hab mir immer gedacht, was macht man nach dem Fußball? Weil nicht jeder Ex-Fußballer wird Trainer.

00:21:38: Unbekannt Trainer wollte ich nie werden. Sportdirektor kann nicht jeder werden. Was noch? In der Scouting-Abteilung zu arbeiten. Ich dachte also, irgendwas muss man haben. Weil du kannst nicht aufhören und morgen aufstehen und sagen: Was mache ich jetzt?

00:22:08: Unbekannt Weil die Tage lang werden. Du kannst nicht Tag und Nacht an der Copacabana liegen, Sonne genießen, Wein trinken. Das kann man schon so drei, vier Tage. Aber auf Dauer wird es langweilig. Und mein Papa ist 1999 auf die Idee gekommen: Du bist jetzt schon seit zwei Jahren beim FC Bayern unter Vertrag. Ich denke, du verdient gutes Geld. Investiere das. Lass es nicht auf einer Bank liegen, weil in Brasilien weiß man nicht, was morgen los ist.

00:22:38: Unbekannt Es kann sein, dass morgen fast das ganze Geld keinen Wert mehr hat. Deswegen kauf Landschaft, kauf eine Farm, weil da kannst du nur Gutes machen. Und wir haben 1999 angefangen und heute sind wir bei 10.000 Hektar, das sind 1000 Fußballfelder, 4000 Rinder, 60 Pferden, 13 Familien arbeiten bei mir auf meiner Farm und es ist wunderschön, draußen zu sein. Wie viel Zeit verbringst du denn heute in Deutschland?

00:23:07: Unbekannt Wie viel Zeit verbringst du in Brasilien? Halb halb. Fünf Monate in Deutschland. Sieben Monate in Brasilien? Beim FC Bayern, wie ich gesagt habe, ist viel zu tun. Da reise ich von A nach B, nicht nur hier in München. Ich fliege mit der Mannschaft mit zur Champions League. Bei jedem Spiel bin ich vor Ort, bin dabei im Trainingslager.

00:23:33: Unbekannt Es geht jetzt Ende Juli, Anfang August nach Korea und China. Es ist schon viel zu tun. Aber ich versuche, Zeit zu haben, auch bei meine privat Geschäfte anzuschauen oder die Batterien aufzutanken. Weil nach der Zeit mit dem FC Bayern ist die Batterie schon leer und dann muss ich zu kurz zurück nach Brasilien, auf die Farm.

00:23:59: Unbekannt Und dann, wenn ich zurückkomme, ist die Batterie voll aufgeladen. Hört sich nach einem wunderbaren Ausgleich an. Wenn du auf dein Herz hörst, wo ist denn deine Heimat. Das ist das Schönste, was ich sagen kann. Leider gibt es viele Menschen, die haben nicht mal eine Heimat. Und ich kann sagen, ich habe zwei.

00:24:24: Unbekannt Ich habe Deutschland und habe Brasilien. Wenn ich in Deutschland bin, am Münchner Flughafen lande, dann bin ich Deutscher. Dann bin ich zu Hause und das ist wirklich so, das ist so ein schönes Gefühl. Du kommst an den Flughafen und du weißt schon genau, was du machst. Jetzt fahr ich dahin, dann dahin, dann nach Schwabing, du kennst alles hier. Und wenn ich in Brasilien bin, ist das auch meine Heimat.

00:24:47: Unbekannt Du hast ja auch die deutsche Staatsbürgerschaft seit Ende 2023 mit deiner Frau gemeinsam. Warum hast du die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen? Das ist eine gute Frage, weil ich hab immer gedacht, gesagt, ich brauche das nicht. Ich bin schon im Herzen, bin schon im Kopf deutsch, ich denke wie ein Deutscher. Ich brauche jetzt nicht ein Papier, um zu sagen, ich bin Deutscher. Aber meine Frau, die war immer dagegen.

00:25:14: Unbekannt Das ist für uns wichtig, in Brasilien weiß man nicht, was morgen los ist. Und wir lieben Deutschland. Wir lieben München. Deswegen lass uns das beantragen. Und ich hab mit einem Freund gesprochen, der hat mir super Tipps gegeben, wie man das machen kann und ich bin dann auf die Idee gekommen, ich versuch das. Und ich muss sagen, das war ein schönes Gefühl, als ich den deutschen Pass bekommen haben.

00:25:40: Unbekannt Man kann man sagen, es war, wie die Champions League Trophäe hochzuhalten. Jetzt darf ich sagen, ich habe eine zweite Heimat, Deutschland. Das heißt, bei Giovane Élber steht das B eigentlich für zwei Sachen: Für Brasilien und für Bayern. Genau das kann man sagen. Als du das erste Mal hierhergekommen bist, nach München oder nach Deutschland oder in die Schweiz - im Vergleich zu Brasilien, was hat dich damals am meisten überrascht?

00:26:10: Unbekannt Positiv oder negativ? In erster Linie die Sicherheit, die man hier hat: Das ist ein Luxus, den wir hier noch haben. Ich kenne die andere Seite. Wie schwer es ist, wann du aufstehst und du machst dir immer Gedanken, wo fahre ich jetzt hin, ist es dort gefährlich? Wo kann ich parken? Wo kann ich schnell zu meinem Termin kommen und schnell ins Auto einsteigen, damit ich schnell weg bin. Und Gott sei Dank kommt man in München gar nicht auf solche Gedanken.

00:26:47: Unbekannt Wie oft fahre ich mit meiner Frau durch die Nacht mit dem Fahrrad von A nach B. Oder mit der U-Bahn, mit der Straßenbahn. Und es passiert nix. Und es ist auch so für mich ein schönes Gefühl, in einer Straßenbahn zu sein. Die Leute denken vielleicht, was macht der hier? Aber das ist das einfachste, schnellste Mittel von A nach B zu kommen heutzutage.

00:27:12: Unbekannt Egal wo du bist, du kommst viel einfacher und schneller mit der U-Bahn oder mit der Straßenbahn hin. Also in erster Linie Sicherheit und dann klar die Sauberkeit. Das ist das erste, was man so in Deutschland mitbekommt. Du sprichst die Sicherheit an. Auf der anderen Seite gibt es mittlerweile bei uns auch ziemlich viele verhärtete Fronten.

00:27:35: Unbekannt Politisch, religiös motiviert. Machst du dir vielleicht manchmal Sorgen um die Gesellschaft, vielleicht auch um die Demokratie in Bayern? 100 % ja. Ich mache mir Sorgen. Als ich 1997 zum FC Bayern gekommen bin oder nach München und wenn man heute sieht, was aus München geworden ist, das macht man Sorgen. Weil das ist wirklich anders geworden. Das ist nicht so wie es 1997 war.

00:28:05: Unbekannt Man hat hier anderes gelebt. Heute sind die Leute sind schnell unzufrieden und viele, die wollen immer mehr, haben aber nicht die Mittel dazu. Und dann fangen die ab, andere Sachen zu machen und das ist nicht schön. Woran liegt es? Deiner Meinung nach, ist es Jammern auf hohem Niveau? Ich denke schon.

00:28:29: Unbekannt Ich sage mal so: In Brasilien lebt man mit wenig glücklich und gut, solang man gesund ist. Ich denke, das kann schon eine Inspiration für viele Leute sein. Wenn ich aufstehe und ich gesund bin, meine Kinder, meine Frau, ich sage: Danke, lieber Gott, dass ich am Leben bin, dass ich gesund bin. Alles andere, schwere Zeiten, gute Zeiten,

00:29:01: Unbekannt das wird schon irgendwie kommen. Das schaff man, da durchzukommen. Ich hatte am Anfang unseres Gesprächs ja gesagt, wir möchten gerne von dir hören, was wir von Brasilien, von der Mentalität lernen können. Was ist das? Das ist diese Lockerheit. Man braucht nicht viel, um glücklich zu sein.

00:29:25: Unbekannt Ich kenne viele Leute, die richtig viel Geld haben. Aber das sind unglückliche Menschen. Ist das ein Leben, das ich für mich will? Nein! Also lieber nicht viel, aber glücklich. Das ist am besten. Klar, es ist einfach zu sagen, man muss immer positiv denken. Aber nicht jeder schafft das. Aber ich sage über mich:

00:29:53: Unbekannt Ich denke nur positiv. Und es geht mir damit selbst in einer schwierige Zeit, die ich gehabt habe im Fußball, immer noch besser. Als ich mir den Bruch zugezogen haben, den Wadenbeinbruch oder mit dem Knie. Der Müller-Wohlfahrt ist zu meiner Frau gekommen und hat gesagt: Ezähle es Giovane nicht, aber es kann sein, dass er nicht mehr Fußball spielen kann.

00:30:23: Unbekannt Meine Frau hat mir nichts gesagt. Nur sie und der Doktor Müller-Wohlfahrt und vielleicht Uli Hoeneß wussten das. Und ich bin zurückgekommen aus Amerika und sagte: Ich will jetzt nach Brasilien, will meine Rehabilitation in Brasilien machen. Die haben schon gesagt: Der wird in Brasilien bestimmt jetzt nur feiern gehen. Ich bin zwei Monate in Brasilien gewesen.

00:30:45: Unbekannt Ich habe jeden Tag von 7:00 morgens bis 18:00 hart gearbeitet. Nach drei Monaten bin zurückgeflogen. Der Doktor hat mein Bein angeschaut: Wo warst du denn? Das kann nicht sein. Das ist richtig gut! Und fünf Monate später nach der OP habe ich wieder Fußball gespielt. Es war nicht einfach, aber jeden Tag, den ich gearbeitet habe, hatte ich nur positive Gedanken in meinem Kopf. Ich denke, das hat mir geholfen, weil das Negative, das braucht man nicht, das machen schon andere für dich.

00:31:16: Unbekannt Das brauchst du nicht, negativ zu sein. Du bist ein unglaublich starkes Vorbild für ganz, ganz viele. Ich habe mir gestern noch ein Video über dich angeschaut auf YouTube und da stand drunter: Giovane Élber, ein klasse Typ. Wegen dem wurde ich zum Bayern-Fan. Eine unglaubliche Strahlkraft. Du hast Leute angezogen. Fußball ist allgemein ja enorm populär.

00:31:39: Unbekannt Fußball eint, sorgt für Zusammenhalt. Wie kann denn Fußball vielleicht noch stärker - gerade wenn wir in unserer Gesellschaft Tendenzen haben, dass wir auseinander gehen - wie kann Fußball vielleicht dazu beitragen, dass wir mehr wieder zueinander finden, zusammenhalten? Das ich hab schon auch oft gehört, dass Leute gesagt haben: Ich bin ein Fan, nur wegen Ihnen.

00:32:05: Unbekannt Ich denke, das ist nur gekommen, weil die Menschen gemerkt habenm ich habe einfach Spaß am Leben, Spaß auf dem Platz zu stehen. Ich wollte den Leute was zurückgeben, weil es gibt nichts Schöneres für einen Fußballer, als wenn du aus der Kabine kommst und da sind 60 000 Leute und du denkst: Wow, die schauen alle unser Fußballspiel. Also ich muss schon irgendwie versuchen, dass sie glücklich nach Hause zu gehen.

00:32:34: Unbekannt Man hat nicht jedes Spiel geschafft zu gewinnen, aber man hat für den Verein alles gegeben. Und das ist gut angekommen bei den Fans. Das ist das Zusammenhalten. Und die Menschen. Für mich war das früher als Fußballer immer so: Ich wollte immer Kontakt zu den Menschen haben, zu den Fans.

00:33:05: Unbekannt Ich wollte nicht so weit weg sein. Heute sage ich jeden bei uns im Verein, unserem Vorstand: Lasst die Fans dazukommen an der Säbener Straße! Nicht nur einen Tag in der Woche. Von mir aus können die jeden Tag hierher kommen, weil es gibt nichts Schöneres als wenn du draußen bist beim Training und da sind 100 Fans.

00:33:26: Unbekannt Nach dem Training gibst du Autogramme, das ist toll! Früher haben wir so was gehabt, heutezutage sind die Spieler leider viel zu weit weg von den Fans. Die bekommen wenig mit, was ein Fan so machen muss, um am Wochenende im Stadion zu sein. Du sprichst den persönlichen Kontakt an. Das Internet, Social Media spielt eine ganz große Rolle.

00:33:51: Unbekannt Ich habe vom DFB ein Projekt gefunden, das hat den Titel "46 Millionen Fans. Null Verständnis für Rassismus" Das sagt der DFB. Aber Rassismus und Ausgrenzung, das gibt es einmal in der Fankurve, aber das gibt es auch ganz stark bei Social Media. Was kann man da tun? Was kann vielleicht Fußball tun, um das zurückzudrängen? Das ist keine einfache Frage.

00:34:17: Unbekannt Ich sage mal so, sobald Menschen in dieser Welt leben, wird es Rassismus geben. Leider. Klar, man muss versuchen, dagegen zu sein. Damals als Fußballer habe ich das miterlebt, an meiner eigene Haut mit dem Rassismus. Aber wir habe mir nie Gedanken gemacht. Ich hab mir gedacht, vielleicht ist der nicht gut aufgestanden heute und kommt hier zum Spiel und fängt mit Affengeräuschen an.

00:34:47: Unbekannt Hast du mal Rassismus oder Ausländerfeindlichkeit erfahren? Oh ja. Damals im Osten, wenn wir dort gespielt haben, mit VfB Stuttgart oder sogar mit dem FC Bayern. Da kommt der ganz große FC Bayern, reichster Club in Deutschland. Da hat man schon was gemerkt. Aber ich habe mir nie Gedanken gemacht, ob ich jetzt irgendwas dagegen mache oder sage. Vielleicht hat er heute einen schlechten Tage erwischt und er braucht das und fertig.

00:35:14: Unbekannt Ich habe immer nach vorne geschaut, weil das ist nur einer von Millionen. Giovane, als du in die Schweiz bzw. dann nach Deutschland gekommen bist: Hast du was getan, um dich aktiv hier einzugliedern, zu integrieren? Kontakt mit den Menschen zu haben. Zu meiner Frau habe ich gesagt: Schatz, Sprache lernen, das ist das Wichtigste, das man haben kann, weil sonst kannst du dich nicht frei bewegen.

00:35:50: Unbekannt Du kannst die Leute nicht verstehen. Du kannst die Kultur nicht verstehen. Wenn du die Sprache kannst oder lernst, dann lernst du automatisch Kultur. Weshalb machen die Deutschen das so und wir Brasilianer anders? Weil ich kenne viele Brasilianer, die leben schon seit langer Zeit hier. Leider sprechen sie kein gutes Deutsch und sehen nur das Negative. Und das tut mir weh, wenn man hier lang lebt und die Sprache nicht gelernt hat.

00:36:21: Unbekannt Ja, vielleicht hat man Sprachbarrieren oder Lernprobleme. Aber wenn man nur das Negative sieht, dann muss ich sagen: Leute, du kannst zurückfliegen, wohin du dich wohlfühlst. Weil jedes Land hat seine eigenen Regeln und da muss man sich anpassen. Wenn ich hier bin und versuche dann mit "brasilianischen Kopf" hier zu leben, das wird nicht so viel Spaß machen.

00:36:47: Unbekannt Aber man kann mit dem brasilianische Kopf und mit dem deutschen Kopf zusammenleben und dann hast du richtig Spaß, weil du verstehst beide Mentalitäten. Und du sprichst wahnsinnig gut Deutsch. Wie sprichst ich mit deiner Frau? Es hängt von der Zeit, vom Tag ab. Aber mehr Portugiesisch. Giovane Élber erhielt im Mai die Bayerische Sozialmedaille von der Sozialministerin Ulrike Scharf für sein soziales Engagement, vor allem für Kinder in Brasilien.

00:37:19: Unbekannt Giovane, du bist Vorsitzender des Vereins zur Förderung brasilianischer Straßenkinder und Vorsitzender der Giovane Élber Stiftung. Was für Projekte machst du in Brasilien? Das ist ein tolles Projekt. Jetzt kommen mir langsam die Tränen, wirklich. Weil wie das alles angefangen hat: Ich hab schon erzählt von meiner Kindheit, wie schwer daswar. Aber Gott sei Dank konnten wir durch das Leben kommen.

00:37:45: Unbekannt Als ich angefangen habe mit dem Fußball und ich beim VfB Stuttgart war, da hab ich schon ein bisschen mehr Geld verdient oder die ein oder andere Werbung gemacht. Und da hab ich mir gesagt: Der Vertrag, das ist für die Familie. Das Geld aus der Werbung gebe ich benachteiligten Menschen. Ich kaufe Lebensmittel, wenn ich im Dezember in Brasilien bin. Winterpause. Und ich habe das zwei Jahre hintereinander gemacht und mein Nachbar aus Stuttgart ist auf die Idee gekommen, ein Projekt zu gründen. Denn die Lebensmittel gibst du heute an die Familie.

00:38:20: Unbekannt Aber eine Woche später haben die gar nichts mehr. Wir müssen versuchen, eine Perspektive für das Leben zu geben, das sie sich entwickeln können durch Ausbildung. Ich sagte: Das finde ich toll, aber wie macht man das? Ich hatte null Idee, wie man das machen kann, ein Projekt. Ich habe immer gedacht, ein Projekt ist immer groß, ein Verein, eine Stiftung. Aber wir haben klein angefangen, wie im normalen Leben.

00:38:49: Unbekannt Man fängt immer klein an. Und das Schönste ist, dass alle, die heute noch dabei sind, freiwillige Leute sind, keiner verdient was in diesem Projekt. Alles, egal was gespendet wird, wird eins zu eins nach Brasilien überwiesen. 1994 kommen wir also auf die Idee, ein zu Projekt gründen. Und so habe ich viele Autogrammstunden in Stuttgart und Umgebung gemacht, Geld gesammelt und langsam haben wir dieses Projekt aufgebaut.

00:39:25: Unbekannt Zuerst eine Schule aufgebaut in meiner Heimatstadt Londrina. Warum Londrina? Weil das unsere große Angst war: Wir bekommen hier das Geld, aber an wen schicke ich es? Es muss seriös sein. Man kann nicht irgendwo Geld hinschicken und sagen, wir haben was Gutes gemacht. Nein, man muss genau wissen, wo das Geld landet.

00:39:47: Unbekannt Was wird mit dem Geld gemacht? Ich habe auch heute noch Angst, dass irgendwas schiefgeht. Aber Gott sei Dank haben wir immer gute Leute vor Ort. Und ich bin deshalb auf die Idee gekommen, das bei mir zu Hause, in Londrina zu machen, Weil da lebt meine Familie, die Familie von meiner Frau, die können auf das Projekt dann schauen, ob das alles so gemacht wird,

00:40:08: Unbekannt wie wir uns das vorstellen. Dein Schwiegervater auch. Ja, genau. Und so ist das dann zustande gekommen. Das Projekt ist immer größer geworden. Heutzutage kommen 100 - 150 Kinder in das Projekt pro Jahr. Und das Schönste ist auch, wenn ich vor Ort bin, trifft man in der Stadt jemanden, die kommen, sagen: Herr Élber, danke für das Projekt, weil ohne das Projekt würde ich heute nicht am Leben sein, weil damals hatte ich Probleme mit Drogen, war Drogenhändler oder so was. Durch das Projekt ist es besser geworden für ihn und für die Familie. Und das macht mich schon stolz. Es ist schön, wenn man 150 Kinder geholfen hat.

00:40:58: Unbekannt Viele wollen auch nicht, dass man hilft. Aber wenn man das schafft, einen von der Straße wegzubekommen, das tut uns allen gut. Und mittlerweile unterstützen wir nicht nur das Projekt in Brasilien, sondern in Nepal haben wir vor kurzem angefangen zu unterstützen. Auch Ausbildungen in einem indigenen Projekt in Salvador Bahia in Nordbrasilien. Da wir machen schon viel. Auch in Deutschland.

00:41:30: Unbekannt Der Ukraine Krieg hat angefangen und viele Ukrainer sind gekommen. Und mit unserem Projekt haben wir den Leuten geholfen. Es gibt tägliches Schulessen für die Kinder, sportliche, musische und eben schulische Angebote. Und da hilfst du kleinen Menschen, die später große Menschen sind und trägst dazu bei, dass aus denen was Gutes wird. Ach, wir bekommen mehr von den Kindern als sie von uns bekommen!

00:42:00: Unbekannt Was wir geben, ist die Zeit, die Spenden. Wir sind angewiesen auf andere Leute, um zu helfen. Aber die Kinder, wenn das Lachen ins Gesicht kommt und sie sagen: Danke für das Projekt, weil wir haben heute noch gar nichts gegessen. Jetzt ist es die erste Mahlzeit, die ich hier bekommen. Wir haben durch die Zeit auch gelernt, nicht nur Kinder zu unterstützen,

00:42:29: Unbekannt sondern auch die Familie mit integriert. Die Kinder sind bei uns von Montag bis Freitag den ganzen Tag dort gewesen, aber am Wochenende oder abends. Wir sind am Montag zurückgekommen und da muss man wieder von Null anfangen. Wieder Respekt beibringen. Weil wenn man in einer Favela wohnt, in ein Slum in Brasilien, da kennt man Respekt nicht, man wird nicht respektiert.

00:43:03: Unbekannt Bei mir damals war es auch so: "Sie kommen hierher, aus der großen Stadt, fahren ein tolle Auto." Aber die Leute respektieren mich nicht. Da sag ich: Moment mal, aber ich bin auch so aufgewachsen. Nicht direkt in einer Favela, aber ich war auch arm. Und ich konnte auch von hier rauskommen.

00:43:24: Unbekannt Aber man muss es wollen. Was hat dich motiviert, damit anzufangen? Was war der Moment? Der Moment war, dass ich gesehen habe, es sind immer mehr Straßenkinder in meiner Heimatregion auf der Straße geworden. Und da haben wir gedacht, irgendwas muss man machen. Das kann man nicht nur anschauen oder sagen, das ist nicht mein Problem, das ist das Problem der Stadt.

00:43:53: Unbekannt Man kann schon versuchen zu unterstützen, auch wenn es wenig ist. Also nicht gleich 200 Kinder, auch schon 10 oder 20, das ist egal. Aber dass man unterstützt, das ist schon gut. Und durch das Projekt ist es nicht nur besser geworden für die Kinder, sondern für die ganze Region um dieses Projekt. Auf einmal haben die Busse bekommen, um in die Stadt zu fahren.

00:44:18: Unbekannt Und Asphalt. Es gab vorher keinen Asphalt in der Straße. Ein Krankhaus ist in die Nähe gekommen. Bessere Schule, weil auf einmal konnten die Lehrer zur Schule gehen. Weil wo kein Asphalt war, wollte kein Lehrer hin. Die haben immer gesagt, ich habe Angst dorthin zu gehen, weil das ist direkt bei einer Favela. Und durch das Projekt ist alles besser geworden. Und man merkt schon, die Kinder, die bei uns im Projekt sind und in Schule gehen, die sind ganz anders als die Kinder,

00:44:55: Unbekannt die noch nicht bei uns im Projekt sind. Die Kinder können mit den Leuten gut umgehen. Also rundum eine positive Bewegung in Gang gesetzt. Genau dafür hast du unter anderem die Bayerische Staatsmedaille für soziale Verdienste von der bayerischen Sozialministerin bekommen. Giovane, was können wir tun? Wir haben deine Projekte, wir haben dein deine positive Lebenseinstellung kennengelernt.

00:45:22: Unbekannt Was ist dein Rat? Was kann jeder Einzelne von uns tun, damit vielleicht die Welt ein bisschen besser wird? Ich denke, wir müssen nach links und rechts schauen, nicht nur auf uns selbst. Man muss schauen, gibt es da andere Menschen, denen es nicht gut geht? Und wenn man die Möglichkeit hat, sie dann zu unterstützen.

00:45:50: Unbekannt Das ist schon gut. Weil es gibt Millionen von Menschen - nicht nur in Südamerika oder in Asien, auch in Europa, in Deutschland, in München - die brauchen unsere Unterstützung. Und wenn wir das schaffen, sie zu unterstützen, das ist schon richtig gut. Man kann die Welt nicht retten. Aber wenn es Menschen, die in unserer Nähe sind, besser geht - ich glaube, das ist schon ein guter Anfang.

00:46:19: Unbekannt Und dann erwartet man von den anderen auch, dass sie das tun. In unserem Podcast Bayern.Gemeinsam.Stark heute zu Gast Giovane Élber, der ehemalige Profifußballer und heutige FC Bayern-Botschafter und Träger der Bayerischen Sozialmedaille, die er unter anderem für sein Engagement für Kinder erhalten hat. Wir haben übrigens in dem Podcast noch viele weitere Persönlichkeiten, auch aus dem Sport, getroffen.

00:46:45: Unbekannt Anna Schaffelhuber zum Beispiel. Thomas Hitzlsperger. Also am besten, Sie abonnieren vielleicht diesen Podcast, dann verpassen Sie keine Folge mehr. Giovane Élber, das war ein sehr schönes Gespräch. Herzlichen Dank. Danke dir für die Zeit. Ich denke, heute konnte man ein bisschen mehr wissen über: Wer ist Giovane Élber? Herzlichen Dank.

00:47:10: Unbekannt Danke.

00:47:31: Unbekannt Bayern gemeinsam. Stark. Der Podcast mit Menschen, die uns inspirieren. Eine Produktion des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales.

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